Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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124. An Goethe

Franckfurth den 17 November 1786

Lieber Sohn! Eine Erscheinung aus der Unterwelt hätte mich nicht mehr in Verwunderung setzen können als dein Brief aus Rom – Jubeliren hätte ich vor Freude mögen daß der Wunsch der von frühester Jugend an in deiner Seele lag, nun in Erfüllung gegangen ist – Einen Menschen wie du bist, mit deinen Kentnüßen, mit dem reinen großen Blick vor alles was gut, groß und schön ist, der so ein Adlerauge hat, muß so eine Reiße auf sein gantzes übriges Leben vergnügt und glücklich machen – und nicht allein dich sondern alle die das Glück haben in deinem Wirckungs kreiß zu Leben. Ewig werden mir die Worte der Seeligen Klettenbergern im Gedächnüß bleiben »Wenn dein Wolfgang nach Maintz reißet bringt Er mehr Kentnüße mit, als andere die von Paris und Londen zurück kommen« – Aber sehen hätte ich dich mögen beym ersten Anblick der Peters Kirche!!! Doch du versprichts ja mich in der Rückreiße zu besuchen, da mußt du mir alles Haarklein erzählen. Vor ohngefähr 4 Wochen schriebe Fritz von Stein er wäre deinetwegen in großer Verlegenheit – kein Mensch selbst der Herzog nicht, wüste wo du wärest – jedermann glaubte dich in Böhmen u. s. w. Dein mir so sehr lieber und Intresanter Brief vom 4ten November kam Mittwochs den 15 ditto Abens um 6 uhr bey mir an – Denen Bethmännern habe ihren Brief auf eine so drollige Weiße in die Hände gespielt, daß sie gewiß auf mich nicht rathen. Von meinem innern und äußern Befinden folgt hir ein genauer und getreuer Abdruck. Mein Leben fließt still dahin wie ein klahrer Bach – Unruhe und Getümmel war von jeher meine sache nicht, und ich dancke der Vorsehung vor meine Lage – Tausend würde so ein Leben zu einförmig vorkommen mir nicht, so ruhig mein Cörpper ist; so thätig ist das was in mir denckt – da kan ich so einen gantzen geschlagenen Tag gantz alleine zubringen, erstaune daß es Abend ist, und bin vergnügt wie eine Göttin – und mehr als vergnügt und zufrieden seyn, braucht mann doch wohl in dieser Welt nicht. Das neueste von deinen alten Bekandten ist, daß Papa la Roche nicht mehr in Speier ist, sondern sich ein Hauß in Offenbach gekauft hat, und sein Leben allda zu beschließen gedenckt. Deine übrigen Freunde sind alle noch die sie waren, keiner hat so Rießenschritte wie du gemacht |: wir waren aber auch imer die Lakqeien sagte einmahl der verstorbene Max Moors:| Wenn du herkomst so müßen diese Menschen Kinder alle eingeladen und herrlich Tracktiert werden – Willprets Braten Geflügel wie Sand am Meer – es soll eben pompos hergehen. Lieber Sohn! Da fält mir nun ein Unthertäniger Zweifel ein, ob dieser Brief auch wohl in deine Hände kommen mögte, ich weiß nicht wo du in Rom wohnst – du bist halb in Conito |: wie du schreibst :| wollen das beste hoffen. Du wirst doch ehe du komst noch vorher etwas von dir hören laßen, sonst glaube ich jede Postschäße brächte mir meinen einzig geliebten – und betrogne Hoffnung ist meine sache gar nicht. Lebe wohl Bester! Und gedencke öffters an

Deine
treue Mutter
Elisabetha Goethe.


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