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Lieber Herr Gevatter! Längst hätte ich Ihren mir so angenehmen Brief beantwortet, wäre nicht beykommende Theater Zeitung |:die ich doch gern mittschicken wolte:| bey Buchbinder geweßen. Ja lieber Herr Gevatter Ihr Brief hat mich recht gefreut! Das wird ja die Meße recht hübsch werden, da Sie so gute Leute mitbringen – vor mich wirds ein groß gaudium seyn, meine Leibstücker mir vortragiren und vor Comisiren zu laßen – Als da sind Hennriette, trau schau wem, die Schwiegermütter, der Schmuck, und wenn die Nobleße eine glatte Haut hätte – die 6 Schüßlen aber aber das Stück ist vor die art Menschen zu starcker Taback – den Berlinern verdirbts den Magen nicht – das ist unerhört wie ofts Döbelin aufgeführt hat – und ich habe eine Berliner Dame gesprochen, die mich versicherte, das Hauß seye jedesmahl zum erdrücken voll geweßen. Emilia Galotti, Hammlet, Clavigo, Ariadne – und beynahe hätte ich meine Minna von Barnhelm vergeßen – wan ich noch an das Stück dencke, und wie alle rollen so gut besetzt waren; so ist mirs immer noch ein Jubel. Vorstehendes und was ihm ähnlich ist währe nun so ohngefähr mein geschmack – Was aber Franckfurth überhaubt betrieft, so mag der liebe Gott wißen was sie wollen – Schon vor 40 Jahren |:sagte mir mein alter Agend Schneider:| hätte Madam Neuberin beynahne eben das gesagt und geklagt. Solte ich aber in Erfahrung bringen was dieser oder jener gern sähe und wolte; so will ichs Ihnen |:verlaßen Sie Sich drauf:| redlich melden. Von dem schönen Geleße des Königlichen Verfaßers habe mir gar viel erzählen laßen – Aber sonderbahr ists doch, daß so gar unsere Philister sagen – Ihro Könignichkeiten hätten Sich damit, doch etwas prostituirt. Ich laße neulich eine Anneckdotte von der großen Königin der Britten Elisabeth, die die Aufschrift hatte – Die größte Königin ist doch nur ein Weib – Hier mögte ich sagen, der größte König ist doch nur – ein Mensch! Meinem Sohn ist es nicht im Traum eingefallen seinen Götz vor die Bühne zu schreiben – Er fand etliche spuren dieses vortrefflichen Mannes in einem Juristischen Buch – ließ sich Götzens Lebens Beschreibung von Nürmberg kommen, glaubte daß es anschaulicher wäre in der Gestalt wies vor Augen liegt, webte einige Episoden hinein, und ließ es aus gehn in alle Welt.
Meiner lieben Frau Gevatterin, wünsche Heil und Seegen ins Wochenbett – Hoffen doch daß es wieder was hübsches geben wird – so ohngefähr wie Lotte und Hanß Wolf. Frau Bettmann Metzler und ich haben unsere Loge No. 9 schon beym Kopfe gekriegt, andre Leute mögen auch zusehn, wie sie zurechte kommen. Nun leben Sie recht wohl! Grüßen Ihr gantzes Hauß
– Bald sage ich Ihnen mündlich, daß ich bin – Ihre wahre Freundin.
C. E. Goethe
Franckfurth den 4ten Februar 1781
N. S. Bringen Sie die Theater Zeitung nur auf die Meße wieder mit, ich brauche sie nicht ehender – und ich weiß daß Sie mir hübsch drauf achtung geben – weil eine Kranckheit meines Buchbinders schuld ist, daß sie nur geheft, und nicht einmahl planirt ist.