Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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165. An Unzelmann

Den 27ten December 1789.

Lieber Freund!

Meinen besten Dank vor Ihr gütiges Andenken und vor das mir so angenehme Geschenk – Es war meine Feyertags Belustigung das Leben dieser großen Frau und ihren Carakter recht zu studiren. Die letzten Tage ihres Lebens waren schauderhaft schrecklich! Das Bild des blutenden Essexs verdrängte alles vom dem guten und großen was sie in dem Laufe ihres so glorreichen Lebens gethan hatte – sie sahe nichts als ihren ermordeten Liebling – Arme Elisabeth! Du kantest dein Herz nicht! Ehrgeitz und Eitelkeit sind immer schlechte Rathgeber aber besonders fiel ihr Rath zu kurtz, bey einer Leidenschaft die übers Grab hinaus ging. Daß ich meinen Mercur wieder habe deß bin ich sehr froh – Vielen Dank vor dessen überschickung. Sie bekommen hiebey vielerley zu leßen – die noch ungebundne Blätter gehören zu denen die Sie schon besitzen – Sie können doch so ohngefähr unsere jetzige Lage daraus ersehen. Ohne Zweifel wird Ihnen schon bewußt seyn, daß das Organ mit der Sache gar nichts mehr zu thun hat, sondern daß v.D. auch bey uns hir vor alles steht. Obs beßer oder schlechter in Zukunft geht muß die Zeit lehren. Was macht denn die Liebe Frau Gevatterin? Sagen Sie Ihr daß es doch nicht hübsch wäre nicht einmahl ein paar Zeilen an mich zu schreiben nicht einmahl zu antworten, da ich Ihr den Tod des Kindes verkündigte. Ich weiß wohl daß Sie viele Geschäfte hat, weiß wohl daß Sie viele neue Freunde bekommen hat – aber die alten gantz zu vergeßen das ist doch auch nicht so gantz an seinem platz. Was macht Carlgen und die kleine Fritze? Carl muß jetzt schon ein Tapferer Ritter seyn. Herr und Frau Stock empfehlen sich Ihnen und der Frau Gevatterin aufs beste, und freuen sich daß es Ihnen dort so wohl geht. Leben Sie wohl! und denken jezuweilen an Ihre hiesige Freunde, mitunter auch an diejenige, die sich unterschreibt

dero wahre Freundin
Elisabeth.


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