Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

38. An Großmann

Franckfurth d 19ten Februar 1779

Lieber Herr Gevatter!

Dancke gar schön in unserm und der Welt nahmen daß durch Ihnen abermahls ein schönes Geschöppf mehr bey der Hand ist, die liebe Frau Gevatterin soll auch |:und zwar den größten theil:| dran haben – Es ist keine geringe wohlthat vor das Menschengeschlecht, daß noch Leute da sind die die Welt mit schönen Gestalten versehen, den warlich Fratzen und Affengesichter sieht mann die menge, also nocheinmahl einen schönen großen Danck. Wie gehts Ihnen den in Bonn? sind Sie zufrieden? Haben die Leute geschmack? Vielleicht mehr als die Franckfurther. Die güngstige aufnahme des Hamlets hatte mir beynahe unser Publicum ehrwürdiggemacht, aber beym Licht besehen, war es nichts gar nichts als neugirde – etliche wenige ausgenommen resoniren sie wie die Pferde.

Vor einigen Tagen trafe ich in einer Gesellschafft eine Dame von der so genandten großen Welt an, die vom Hamlet das Urtheil fällte es wäre nichts als eine Farse – O!!! Gevatter! Gevatter! Hamlet eine Farse!!!!! Ich dachte ich kriegte auf der stelle eine Ohnmacht – Ein anderer behaubtete |:noch obendrauf mit dem ausdruck:| Daß ihn der Teufel holen solte, wo er nicht eben so ein Ding voll unsinn schreiben könte, und das war ein Dicker Vierschröderischer Weinhändler. Da ist nun als ein Gekreische von unserm Jahrhundtert, von erleuchten Zeiten u.s.w. und doch ist, |:eine kleine Zahl ausgenommen die freylich das Saltz der Erden sind :| bey denen Herrn und Damen alles so schal, so elend, so verschoben, so verschrumpft, daß sie kein stück Rindfleisch kauen und verdauen können – Milchbrey – gefrohrne sachen – Zuckerpletzger – hogout das ist ihr Labsahl, freylich verderben sie sich den Magen dadurch noch immer mehr, aber wer kan helfen – Wen ich Schauspiel Direcktor wäre, |: so will ich schippen Dame seyn :| wen sie nicht den Hermann von Frau Gottsched zu genießen kriegen solten, es ist ein feines stück, regelmäßig, moralisch, mit einem wort nicht schwer zu verdauen – Der Schauplatz stelt einen Wald vor, an den Bäumen hangen Bildnüße von alten Helden, Herrmann und sein Vater tretten auf – Vater. Nun Herman höre zu, und mercke mit bedacht, warum dein Vater dich in diesen Hayn gebracht – Sohn!!! wo dich Muth und Glück zu edlen Thaten tragen; so laß dir deine Pflicht |: Er wendet Sich gegen die Bäume :| von diesen Bildern sagen u. s. w. Was Herman drauf zur Antwort gibt habe ich vergeßen, den ich war 10 Jahr alt als es hir gegeben wurde. Halt – ho, ho – es war mein steckenpfferd gemeint, das gar zu gern im Galopp geht, der spaß pasirt ihm eben nicht oft – Wenn ich in eine honette Companie gehe wirds vernageld. Darum thut ihm die Freyheit so wohl, aber jetzt Punctum Die Commision nach Weimar so wohl wegen der guten Muhme als auch wegen des Coffers sind aufs Beste besorgt, und erwarte ich von Phillipp Herrn Goethens Blitz pagen ehestens antwort die Sie so gleich vernehmen sollen. Die liebe Frau Gevatterin ist doch wieder recht wohl? grüßen Sie Sie ja recht schön – und die goldne Lotte, und das Hänßgen, Vergeßt auch die Flittnern nicht, und zwar das alles von Herr Rath und von mir, die ich bin, lieber Herr Gevatter! Eure wahre Freundin.

C. E. Goethe.


 << zurück weiter >>