Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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202. An Goethe

den 9ten November 1793

Lieber Sohn! Das beykommende Anliegen des Unterstützung bedürfigen jungen Menschen empfehle dir bestens – die Armuth macht ihn so schüchtern daß er einem Jammert – kanst du was zur Erleichterung |: durch Verschafung des Freytisches :|Der junge Mensch kommt erst auf Ostern und studirt Theologie. beytragen; so thuts du ein wahres gutes Werck. Hercules misttete einmahl einen Stall aus, und wurde vergöttert – gemistest habe ich – aber mit der Vergötterung wils noch nicht so recht fort. Drey Centner Papier habe durchsucht – das wenige nützliche |: wovon du in einem Kästlein auch etwas erhalten haben wirst :| habe beybehalten – das andre auf die Papirmühle verkauft – Die zwey Böden, und der 3te Stock sind nun von allem unnützen ammeblement gereingigt – das alte Holtzwerck das gar nicht zu brauchen war ist zum verbrennen klein gemacht worden – die andern noch brauchbahre Sachen habe in einen öfendtlichen Ausruf gethann weiß aber noch nicht was draus gelößt worden ist. Mit Verkaufung des Haußes wirds so gehalten: Erstlich wird Schlossers Ankunft erwartet um auch mit Ihm drüber zu reden – Zweytens muß ich vor allen Dingen meinem Stand und Würden gemäß ein Logie haben – daß ich mich in meinen Letzten Lebens Jahren nicht zu guterletzt herunter setze. Denn im 5ten Act soll ablaudtirt und nicht gepfeiffen werden – mit Gogel ists nichts der nimbt niemandt – Doch habe meine Lauerer aufgestellt – die werden schon was auftreiben. Drittens nach Schlossers Abreiße – laße unter Herrn Stocks Anleitung einen verschwiegenen Zimermeister das Hauß so ohngefähr schätzen – und Schätzung und das weitre soll du sogleich erfahren. Deßgleichen mit den Weinen. Aergerlich ist mirs daß der Mann der den Catalogus der Bücher machen soll und will so viel zu thun hat, daß der Anfang noch nicht hat gemacht werden können – denn die schöne Witterung wäre dazu sehr dienlich geweßen – Nun muß ich Odem holen – denn mir ist noch immer als säße ich auf dem obern Boden und hätte die 3 Centner Papire um und neben mir, 14 Tage habe daran ausgesucht – O! das war eine verwünschte Arbeit – jedes noch so unbedeutende päckgen, war mit Cordel umbunden – nun das alle aufzumachen!!!

Viele Grüße von allen Freunden – besonders der Sopfie Bethmann – Der König war wieder 3 Tage hir – und freundlicher und liebreicher wie jemahls! Den Confect wirst du doch wohl erhalten haben?

Neues gibts hir nichts, als daß die Zauberflöte 18 mahl ist gegeben worden – und daß das Hauß immer geproft voll war – kein Mensch will von sich sagen laßen – er hätte sie nicht gesehn – alle Handwercker – gärtner – ja gar die Sachsenhäußer – deren ihre Jungen die Affen und Löwen machen gehen hinein so ein Specktackel hat mann hir noch nicht erlebt – das Hauß muß jedesmahl schon vor 4 uhr auf seyn – und mit alledem müßen immer einige hunderte wieder zurück die keinen Platz bekommen können – das hat Geld eingetragen! Der König hat vor die 3 mahl als Er das letzte mahl hir war, und nur die einzige kleine Loge von Willmer innehatte 100 Carolin bezahlt.

Gerning hat mir deinen Brief überbracht – und 4 Carolin – 3 davon sind noch in meiner Hand worüber du disponieren kanst. Die Castanien sind besorgt – aber unter 14 Tagen kanst ich sie nicht schicken die Croneburger Frau will mir die schönsten |: die vorjetzt noch in den Hülssen sind :| aussuchen – auch die Brunellen will besorgen. Bey aussuchung der Papire wovon dir eintheil hirmit zugeschickt wird – habe seelige Stunden gehabt – ich war dabey 25 Jahre jünger – ich wünsche dir eine gleiche Freude. Heute als den 24ten Oktober erwarte ich Schlosser da soll viel geredet werden, und das Resultat solst du erfahren. Schlosser war hir und hat den Plann mit dem Hauß und den Weinen sogleich gebiligt – nun werde sachte vorwärtzt gehn – Da Gerning immer noch hir bleibt so werde diesen Brief nicht schließen – villeicht kan ich noch eins und das andre melden. Dem Himmel sey Danck! Endlich ist der Mann erschienen, der den Catalog der Bücher macht – heute ist der 3te Tag da er mit beschäftigt ist. Die Cast[a]nien werde zwischen die Betten packen und dir so bald ein Fuhrmann da ist zuschicken – denn ich hoffe daß wir im punct der Einquartirung diesen Winter zimmlich ruhig seyn werden. Vergeße der Stockin ihre Tablo nicht in Ordnung zu bringen. Da Gerning Morgen verreißt – so sage dir nur noch in gutem Andencken zu behalten

Deine
treue Mutter
Goethe.


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