Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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140. An Unzelmann

Geschrieben am 2ten Pfingstag [12. Mai] krank an Leib und Seele. fortgeschickt den 13ten May 1788.

Lieber Freund!

Ich soll mich nicht beunruhigen – nicht ängstigen – soll auf die Zukunft bauen! Ich! die so klahr und deutlich sieht, daß alles darauf angelegt ist, Sie auf ewig von uns zu entfernen

– so offte mir eine Zeitung zu Gesichte kommt zittern mir alle Glieder Ihren Nahmen auf eine schimpfliche Weiße drinnen zu finden – und ist nur die kleinste Drohung – der minsteste trotz in dem Schreiben der dortigen Commission enthalten; so ist das Unglück gewiß, und Sie sind vor uns auf immer verlohren – Ein Haußarest wäre Ihnen lange lange nicht so schimpflich geweßen – wie wenig Menschen hätten das erfahren – aber Zeitungen die in alle Welt laufen – vom großen und kleinen Pöbel geleßen werden, in Gegenden, wo Ihnen jedes Kind kent; so was geht über alles! und nun das Gerede in allen Gesellschafften – und Ihre Freundin mitten drunter – was soll die nun machen oder welche Rolle soll sie spielen! Habe ich nicht schon genung um Ihrent willen gedultet – vergeben, getragen, gelitten, und nun noch dieses schreckliche alles schrecklichen – O! Schicksahl womit habe ich das verdient! Meine Meinung war so gut, so bieder – ich wollte das Glück eines Menschen machen – und that gerade das Gegentheil – hätte ich Ihn gelaßen wie und wer Er war – Er wäre noch bey uns das bin so fest überzeugt als von meinem eigenen Daseyn – Verzeihen Sie Lieber Freund! daß meine Briefe keines beßern und vergnügerns Inhalts sind, gegen Ihnen kan und mag ich mich nicht verstellen – Sie müßen mir vergönnen mein Hertz auszuschütten – Diese Freundschaftsprobe verdiene ich doch – nicht wahr? Drey Tage war ich bettlägrig heute stunde ich mit dem Trost auf einen Brief von Ihnen zu erhalten – aber es kam keiner – Es ist zweyter Feyertag, alles fährt und läuft – ich sitze einsam in meiner Wohnstube – und weiß meine Zeit nicht besser anzuwenden als an Ihnen zu schreiben – Wären Sie hie so wüßte ich wohl – daß ein klein Bouteilligen Tyrannen Blut würde genoßen werden Aber die Zeiten sind vorbey! Diese berühmte Wohnstube hat Ihnen doch machen gram von der Stirne gewischt – es war so ein Asilum wenn die Winde tobeten und der Donner in den Lüften rollte – Es war gar ein sicherer Haven wenn das Schifflein von den Wellen um und um getrieben wurde – Erinnern Sie Sich noch der Dose die ich Ihnen vor 3 Jahren nach Cassel schickte wo ein Mann mitten im Schiefbruch einen Fels ergliemte, und die Worte die ich dabey schrieb? nun sind Sie wieder zur See gegangen – Gott lasse Ihnen immer einen sichern port finden wo Sie Anker werfen können. Die Gesellschaft bleibt den gantzen Sommer hie!!! und wird die Woche dreymahl spielen – Koch hat den Fallstaf in Heinrich dem Virten recht brav gespiel – aber das Stück ist kein Gericht vor Frankfurth – Am Donnerstag war der doppelte Liebhaber der Vorhang hob sich und Koch erschiene und sagte Madam Fiala wäre plötzlich kranck geworden um aber das Stück doch geben zu können hätte Madam Stegmann die Rolle noch in der geschwindigkeit gelernt es wäre seine Schuldigkeit ein vererungswürdiges publicum davon zu benachrichtigen – so treibt er es in den geringsten kleinigkeiten – und das stoltze publicum dem das kitzelt ist sehr mit ihm zufrieden – Er versteht wie mann Vögel fängt – Auch mit den Schauspielern macht Ers so neulich war Lilla – Er bate seine Colegen um Erlaubnüß keinen Statisten machen zu dürfen, weil er Lilla noch nie gesehen hätte und also das Stück gern gantz in Ruhe sehen mögte u. s. w.

Aber als ich meinen Jäger nicht sah! Da war mirs alleins was sie trillerten und wie sie trillerten – Doch muß ich zu steuer der Wahrheit sagen, daß die Cosa Rara keine grißmaßen schniede und das Duet mit Stegmann so vortreflich sang daß es 3 mahl wiederholt werden muße – und das terzet mit der Königin 2 mahl. Es ist sonderbahr daß ich Herrn Chike der jetzt meist Ihre Rollen spilt noch in keiner gesehen habe – Der Ring war an einem Montag Baldian war an einem ditto – Am Sonabend im Brandgen war ich krank – Aber schlecht macht ers das habe ich gehört – er spielt alles im gantz nidrig Commischen Z. B. als Rath Brand hatte er schwartz Englischpflaster auf die obern Zähne geklebt! Es ist doch eine herrliche Sache um das schreiben – Zumahl an einen Freund – nur ists ein Unglück daß so ein Brief siebentage braucht um an ort und stelle zu kommen – so weit haben Sie Sich noch nicht von mir verlaufen gehabt wie jetzt und Ihre Zurückkunft konte mann doch mit strichen ausrechnen – Lieber Freund! Nur eins mögte ich wißen – haben Sie denn gar nicht an mich gedacht – da Sie den Contrakt von dort unterschrieben? auch gar nicht an die folgen und an die Wirkung die so was auf mich nothwendig machen müßte – Sie wußten doch bei Gott alles! das ist mir immer das unbegreiflichste bey der gantzen Sache geweßen und ist es noch – denn ich gestehe Ihnen, so ein Schritt wäre mir nicht im Schlaf eingefallen – Stock und sein Weib grüßen Ihnen aufs beste – Deßgleichen Elise Bethmann ob Sie ihr schon zwey paar Strümpfe von Ihrem Mann mitgenommen haben auch Freund Thurneißen – Sagen Sie ja an Freund Heinrich nicht daß ich Ihnen von seinen Briefen schicke – Er mögte mir sonst nicht mehr schreiben – Grüßen Sie die Frau Gevatterin – von

Ihrer Freundin
Elisabeth.


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