Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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18. An Lavater

Franckfurth den 23ten Juni 1777.

Er gibt den müden Kraft und Stärcke genung den ohnvermögenden – was Er zusagt hält Er gewiß. Ein neuer, lebendiger, dastehnender Zeuge sind wir, die wir unsre Cornelia unsere eintzige Tochter nun im Grabe wissen – – und zwar gantz ohnvermuthet, Blitz und Schlag war eins. O lieber Lavater! die arme Mutter hatte viel viel zu tragen, mein Mann war den gantzen Winter kranck, das harte zuschlagen einer Stubenthüre erschröckte ihn, und dem Mann muste ich der Todes Bote seyn von seiner Tochter die er über alles liebte – mein Hertz war wie zermahlt, aber der Gedancke, ist auch ein Unglück in der Stadt, das der Herr nicht thut hielte mich daß ich dem Schmertz nicht erlag. Ohne den Felsenfesten Glauben an Gott – an den Gott, der die Haare zehlet dem kein Sperling fehlet – der nicht schläfft noch schlummert, der nicht verreißt ist – der den Gedancken meines Hertzens kent ehe er noch da ist – der mich hört ohne daß ich nöthig habe mich mit messern u Pfriemen blutig zu ritzen, der mit einem Wort die Liebe ist – ohne Glauben an den wäre so etwas ohnmöglich auszuhalten – – freylich fühlt sich der Mensch Paulus sagt: alle Anfechtung wenn sie da ist, düncket uns nicht Freude zu seyn – aber ein anders ist fühlen, ein anders ist mit Gottes führung unzufrieden seyn – und sich denen gleich stellen die keine Hoffnung haben – – aber wir! die wir wissen daß über den Gräbern unsterblichkeit wohnet, und daß unser spannenlanges Leben auch gar bald am Ziel seyn kan – uns ziemt die Handt zu küssen die uns schlägt, und zu sagen |: zwar mit 1000 thränen:| der Herr hats gegeben, der Herr hats genommen, sein Nahme sey gelobet. Lieber Sohn! Euer Brief hat mir sehr wohl gethann, Ihr seyd böße auf Euch daß Ihr nicht trösten könt – wenn ich Euch aber sage daß er mir Labsahl war, daß ich Euer gantzes warmes, gefühlvolles, Freundschafftliches Hertz offen vor mir hatte, da wenn ich nur eine Zeile von Euch sehe mir alle die seeligen Augenblicke einfallen, da wir zusammen an einem Tisch assen, da Ihr unter meinem Dach ward, da Ihr Abends um 9 Uhr in meine Stube kamt, da ich Euch kaum eine Minute sahe, und doch gleich wuste, auf welche Staffel von der großen Leiter worauf meine Söhne stehen ich Euch stellen solte, daß ich mich nicht geirret – wie ich bey Eurer Abreiße einen gantzen Tag geweint habe – – alles das komt mir ins Gedächnüß wann ich nur Eure Handt auf einer Adresse sehe. Verzeiht mir lieber Sohn, daß ich Euch so ein geschreibe daher schreibe – – wißt es ist jetzt eins meiner liebsten Beschäftiungen an die Freunde so meinen Hertzen nahe sind die Schmertz u Vergnügen mit mir theilen Briefe zu schreiben, ich lebe in dieser großen Stadt wie in einer Wüste, Von meinem Geschlecht habe ich nur eine Fahlmern die mich versteht |: und die ist jetzt zum Unglück in Düsseldorf:| Nun mein Bester! Lebt wohl! grüßt Eure liebe Frau, Pfenniger |: ach der singt auch nicht mehr mit dem Engel :| Frau Schultz, Lentz und alle gute Seelen – – noch eins, ich habe zwey herrliche Briefe von meinem lieben Sohn Schlosser bekommen Er duldet wie ein Christ u Mann und – – glaubt an Gott, nun der Allmächtige seegne Euch und die Euch angehören, behaltet mir Eure Liebe, die meinige soll wahren, biß an Grab ja drüber hinaus, solches sagt und wills halten Eure treue

Mutter Aja.

N. S. Das päcklein mit einem Buch werdet Ihr mit dem Postwagen erhalten haben.


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