Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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91. An die Herzogin Anna Amalia

Den 1ten Mertz 1783

Durchlauchdigste Fürstin!

Ich bin ja wohl eine recht glückliche und beneidungs würdige Frau! In dem Andencken, in der Gnade Einer Amalia zu stehn! Einer Fürstin die in allem betrachtet, würcklich Fürstin ist – Die der Welt gezeigt hat, daß Sie Regiren kan – Die die große Kunst versteht alle Hertzen anzuziehn – Die Liebe und Freude um Sich her verbreitet – Die – Mit einem Wort zum Seegen vor die Menschen gebohren wurde. Ja Große und vortreffliche Frau! Ich schwöre bey allem was heilig ist, daß, die Fortdauer von Höchst Dero Gnade und Güte, mir mehr werth ist, als der Beyfall einer gantzen Welt. Theureste Fürstin! Erhalten Sie mir diesen Unaussprechlich großen Schatz! Der nun einmahl zu einem Wesentlichen theil von mir gehört, ohne den meine Exsißtentz so wenig ein gantzes wäre, als der Leib ohne Seele. Unser Theurer Erbprintz befindet Sich also wohl – Gott sey Taußend Danck davor gesagt! nach Dero Beschreibung, gibt das ja einen zweyten Reinhold – und da ich zuverläßig weiß, daß Er die beste Erziehung nach Leib und Seele bekommen wird; so kan auch der Wachsthum an beyden nicht fehlen – und alles Volck soll sagen Amen. Wieland und meinem Sohn würde ich es ewig nicht verzeihen, wenn Sie bey dieser frohen Begebenheit Ihren Pegasus nicht weidlich tummeltten, und mich verlangt recht hertzlich, Ihre Gebuhrten zu sehen. Freylich komt es mir vor als ob mein Sohn, sich in etwas mit den Musen Brouliert hätte – doch alte Liebe Rostest nicht – sie werden auf seinen Ruf, schon bald wieder bey der Hand seyn. Mit Wieland – ja das ist gantz was anders, Das ist ein gar beständiger Liebhaber – die 9 Mädger mögen lachen oder sauer sehen – Er schickt sich in alle Ihre Launen – und ich weiß von sichrer Hand, daß so was, die Damen überaus gut aufnehmen. Ihro Durchlaucht haben die Gnade Sich zu erkundigen was ich mache – Ich befinde mich Gott sey Danck, gesund, vergnügt, und fröliges Hertzens – suche mir mein bißgen Leben noch so angenehm zu machen als möglich – Doch liebe ich keine Freude, die mit unruhe, wirrwar und beschwerlichkeit verknüptf ist – Den die Ruhe liebte ich von jeher – und meinem Leichnam thue ich gar gern seine ihm gebührendte Ehre. Morgens besorge ich meine kleine Haußhaltung und übrigen Geschäffte, auch werden da Briefe geschrieben – Eine solche lächerliche Correßpontentz hat nicht leicht jemandt außer mir. Alle Monath raume ich meinen Schreibpult auf – aber ohne lachen kan ich das niehmals thun – Es sieht drinnen aus, wie im Himmel. Alle Rangordnung aufgehoben – Hohe und geringe, Fromme und Zöllner und Sünder, alle auf einem Haufen – Der Brief vom frommen Lavater liegt gantz ohne groll, beym Schauspieler Großmann u.s.w. Nachmittags haben meine Freunde das Recht mich zu besuchen, aber um 4 uhr, muß alles wieder fort – dann kleide ich mich an – fahre entweder ins Schauspiel oder mache Besuche – komme um 9 uhr nach Hauß – das ist es nun so ungefähr was ich treibe. Doch das beste hätte ich bald vergeßen. Ich wohne in der langen gaßen, die mann vor Leßer erbauen laßen u.s.w. Nehmen Ihro Durchlaucht mit der Beschreibung meines geringhaltigen Lebens Wandel vor lieb, und erhalten mir Dero unschätzbare Gnade, diß ist die einzige Bitte von

Ihrer Durchlaucht
unterthänigst und treusten Dienern
Goethe


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