Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

62. An Großmann

Franckfurth d 19ten May 1780

Lieber Herr Gevatter! Sehr, recht sehr hat es mich gefreut daß Sie glücklich in Bonn angelangt auch Ihre lieben Kinder wieder hübsch frisch und munter angetroffen haben – Halten Sie ja Ihr versprechen künfftige Meße mich wieder eins dieser lieben geschöpfe sehen zu laßen, doch |: verstehts sichs :| der Lotte ohnbeschadet, den die ist und bleibt nun einmahl mein Ideal. Küßen und grüßen Sie das herrliche Mädgen, und sagen Ihr, daß ich, und die kleinen Büßquitger mit schmertzen auf Ihre Rückkunft warten. Nochmahls vielen Danck vor alle die Freuden und vergnügten Tage die Sie mir vier hübsche Wochen lang tag täglich verursacht und gemacht haben. Bey meiner Lage, bey der stille die um mich herum herscht ists nöthig, ists Wohlthat wenn mir was vor die Seele gestelt wird das sie aufzieht, in die höhe spant, daß sie ihre anziehende kraft nicht verliehrt. Doch da mir Gott die Gnade gethan, daß meine Seele von Jugend auf keine Schnürbrust angekriegt hat, sondern daß Sie nach Hertzens tust hat wachsen und gedeihen, Ihre Äste weit ausbreiten können u.s.w. und nicht wie die Bäume in den langweiligen Zier Gärten zum Sonnenfächer ist verschnitten und verstümmelt worden; so fühle ich alles was wahr gut und brav ist, mehr als villeicht Tausend andre meines Geschlechts – und wenn ich im Sturm und Drang meines Hertzens im Hamlet vor innerlichem Gefühl und Gewühl nach Luft und Odem schnappe, so kan eine andre die neben mir sitzt, mich angaffen, und sagen, es ist ja nicht wahr, sie spielens ja nur so – Nun eben dieses unverfälschte und starcke Nathur gefühl bewahrt meine Seele |: Gott sey ewig Danck :| vor Rost und Fäulniß. Den letzen Tag Ihres hirseyns wäre ich zum Beschluß noch recht vergnügt – Henriette hat mir gantz auserordentlich behagt, bittens uns auf künfftige Meße zum Regal und Hertzens weide wieder aus. Heut ist mit Schiffer Frantz Matheus mein und meines Sohns Gibs Gesicht, wie auch die Nackäsche an Ihnen abgegangen – Wünsche viele Freude dran zu erleben. Leben Sie recht wohl! Grüßen vielmahls von mir |: besonders aber vom Papa :| Ihre liebe Frau, Lotte, Hänßgen, Fritze, Fräntzgen und Antonette |: Sie sehen doch daß ich die nahmen hübsch behalten kan :| Kommen Sie die Meße gesund und vergnügt wieder zu uns – Laßen Sie Ihre Herrn Schauspieler nebst Frauen und Jungfrauen ihre Rollen recht schön einstudiren – damit ich und andre brave Menschen in der herrlichen Täuschung erhalten werden, Im Hamlet und andern ihm ähnlichen stücken, von gantzer Seele flennen – In den 6 Schüßlen, in der Jagdt von gantzer Seele lachen – In Trau schau wem – bald über das unglückliche paar hertziniglich betrübt sind – bald über den drolligen pips tränen lachen. Summa Summarum – daß alles hübsch klapt und paßt. Nun nocheinmahl leben Sie wohl! Und glauben daß ich bin

Ihre
wahre Freundin
C. E. Goethe


 << zurück weiter >>