Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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56. An die Herzogin Anna Amalia

Durchlauchdigste Fürstin!

Jetzt sitzt Mutter Aja gantz allein in den Hütten Kedar und ihre Harpfe hengt an den Weiden – Einsam wie im Grabe, und verlaßen wie ein Käutzlein in verstöhrten Städten. Alle die von Hertzen frölich waren seuffzen, die Freude der Paucken feyert, und die Herrlichkeit hat |:wenigstens vor diesmahl:| ein Ende. Dieses Theureste Fürstin ist meine aufrichtigte Beichte und die lage meiner Seele – Mein sonst rosenfarber Houmor ist etwas floh-farb geworden, und ich muß alle Kräffte anspannen, damit Sauls unruhiger Geist mich nicht beym Schoppf erwische. Wundern würde ich mich nun freylich nicht, wenn in meinem Hertzen und gemüthe noch viel wunderlichre dinge entstünden – Denn meine glorie war fast groß, und meine Freude ohne alle gräntzen. Biß ich mich nun wieder in den ordentlichen Cammerthon hinein stimme dazu gehört Zeit. Den Besten Fürsten Tag täglich zu sehen war herrlich, aber Ihn reden zu hören ging über alles. Wie oft saße ich gantz ohnbemerckt in einem eckelgen, und hörte Dinge darüber mann erstauen mußte – Eine solche Weißheit und Klugheit, eine solche tiefe kentnüß der Menschen biß in die innersten kleinsten Falten und Winckel des Hertzens – Mit dem allen die gantz erstaunliche entäuserung als wenn das alles gar nicht da wäre – und das in einem Alter von 22 Jahren! Wenn Er noch länger hir geblieben wäre, hätten mir die Leute mein Hauß gestürmt, den jedes das einmahl die gnade gehabt hatte Ihn zu sehen wolte das Glück mehr haben – Jedem sagte Er was verbindliches, jedem was ihm Freude machte, besonders unsere Damen Frauen und Jungfrauen sind so entzückt, haben in ihrem Leben noch so gar nicht gesehn – So einen Herzog! Diejenigen die das unglück gehabt haben Ihn nicht zu sehen oder zu sprechen werden von den andern glücklichern vor halb unehrlich gehalten. Der schöne Wedel hat auch überall Lob und preiß eingeärndet. Herr Geheimdte Rath Goethe hat nicht minder bey seinen Landsleuten, Freunden und Bekandten einen guten geruch zurückgelaßen. Durchlauchdigste Fürstin! Es war mit einem Wort das plus Ultra; und wir, und unsere Freunde, und unsere Stadt, und die Höffe Darmstadt, Homburg und Hanau werden diesen Zeitpunckt gewiß so leicht nicht vergeßen. Gott seegne die Fürstin die der Welt einen solchen Fürsten Sohn gebohren hat! Amen Amen. Dieses wäre nun so eine kleine unvollkommene Relation, was der Vater und ich in diesen Tagen vor glückliche Leute geweßen sind. Alles gefühl unserer danckbahren Hertzen auszudrücken ist gantz ohnmöglich – Aber wir wißen und sind überzeugt, daß Unsere gnädigste Fürstin Freundlich Sind, und Ihre Güte ewiglich währet In die güte gnade und Freundlichkeit empfehlen wir uns nebst den unserigen auf neue, und sind und bleiben, biß ans Ende dieser Wallfarth

Durchlauchdigste Fürstin
Dero
unterthanigste treugehorsamste
Diener und Dienerin
Johann Caspar Goethe mppr. C. E. Goethe

Franckfurth d 18 Jenner 1780


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