Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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150. An Unzelmann

den 19ten December 1788

Lieber Freund!

Ihr Lieber Brief hat mich aus mehr als einer Ursache sehr erfreut – Den schon stieg der Gedancke wie aus einer schwartzen Gewitterwolcke in mir auf – du und dein Nahme sind rein vergeßen! Desto angenehmer wurde ich überrascht. Wenn man etwas vor verlohren hält, und es findet sich unvermuthet wieder; so fühlt die Seele eine art von Behaglichkeit – die ihr unaussprechlich wohl macht – Nur das Ende Ihres Briefs hat mich ordentlicher weiße erschreckt – Sie werden doch den sonderbahren Gedancken nicht wircklich ausführen – und in dieses entsetzlichen Jahres Zeit 60 meilen reißen! Das würde vor Ihnen, und vor mich keine gute Folgen haben. Ihnen würde kein Mensch weder in Berlin, noch hir glauben, daß Sie bloß die Reiße meinetwegen angetretten und unternommen hätten; sondern alle Welt müßte dencken, es gefiehle Ihnen nicht mehr dort, und Sie wolten Sich hir wieder antragen, und wenn Sie wieder fortgingen, so hieße es hernach die Direcktion hätte Ihnen nicht haben wollen – und da würden Mährgen ohne Zahl gefabrizirt – Selbst in Berlin könte mann dergleichen dencken – so viel Nachtheil hätte so ein Schritt auf Ihrer Seite. Und nun nicht einmahl zu gedencken was mann alles auf meine Rechnung erzählen würde – Glauben Sie dann daß so ein abermahliges Abschied nehmen Balsam vor mich seyn dürfte?? Nein Lieber Freund! So einen Auftritt mag ich nicht wieder! Will es das Schicksahl daß ich Ihnen wieder sehen soll; so muß es auf die alte Art und Weiße geschehen – sonst dancke ich Unterthänig davor. In der Angst meines Hertzens schicke ich diesen Brief mit Umlaufender Post – und bitte Ihnen inständig mich nur durch die zwey Worte |:Ich bleibe wo ich bin:| zu beruhigen. Alles was zum Theater weßen gehört, schicke ich Ihnen die künftige Woche. Daß die Frau Gevatterin über die Willmann den Sieg davon getragen hat, das war mir nichts unerwartetes das glaubte hir das Publicum und die Schauspieler obendrein – Ich fragte Stegmann, ob wohl die W. in Berlin gefallen würde – Sie wird ausgepfiffen sagte er – Ihr hiesiges Publicum war Herr Arbauer, der sich in jeden Weiberrock verschamarirt, und einige von unserer Nobleße, wo die älste W. Clavier Informationen gibt – und dann der Noble Papa der im Parket herum schlich um ablaudirer zu sammlen – und was ist dann außer ihrem Ha, Ha, Ha – und Hi, Hi, Hi an ihr – sie sieht aus wie eine Jüdin, spricht Deusch wie der Casperle in Winn – aber das plus Ultra das die Berliner versäumt haben, und deßwegen sehr zu beklagen sind ist der Toffel in der Operette Töffel u Dorgen – den in Hoßen muß mann sie sehen – kein Hintergestell! Keine waden! sie gleicht dem krancken Löwen in der Fabel – der war vom Kopf biß auf den Schwantz – so mager wie der Pabst im Baaßler Todten tantz. Ey, Ey wie ist mein Mandel zu so großen Ehren gelangt! Gar die Schultern und Lenden eines Kaysers zu schmücken – was doch aus den sachen werden kan, wenn sie in die rechten Hände gerathen – bey mir wäre er in der Dunckelheit geblieben, da ihn hingegen sein jetziger Besitzer zu Ruhm und Ehren gebracht hat. Sie und die Frau Gevatterin haben mir verschwiegenheit angelobt, ich verlaße mich drauf – Franckenberg hat die Dinge, die nicht sonderlich klangen, an Stegmann geschrieben – St. der mir nun um alles so was nicht gesagt hätte, referite es der Stockin – die mirs den wieder erzählte – und weil es das Organ weiß; so muß es doch weiter herum gekommen sein, trauen Sie ihm also nicht. Wenn Ihr kleiner Sohn in Maintz davon komt, so ists ein Wunder – er hat die Blattern so erstaunlich, daß das ganze Kind eine Blaße ist – er hat aber auf meinen Befehl einen Doctor und alle nur mögliche pflege – Sie können also darüber ruhig seyn – Mit meiner Gesundheit gehts wieder Berg auf – nur wegen der Siberischen Kälte – hat mir mein Artz das ausgehen noch untersagt. Leben Sie wohl! und antworten mir flinck – daß Sie guten Rath annehmen – und bleiben wollen wo Sie sind. Noch einmahl Danck vor Ihren guten Brief von

Ihrer
Freundin Elisabeth.

N. S. Die Frau Gevatterin zu grüßen, versteht sich von selbst. Dem kleinen Karl geben Sie von mir einen Schmatz – und lernen ihn hübsch meinen Nahmen – damit wann er wieder herkommt – ihm derselbe nicht Fremmdt ist.


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