Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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222. An Goethe

den 5ten October 1794

Lieber Sohn! Da in diesem Jahr alles einen Monath früher kommt wie sonst; so sind auch die Castanien schon bey der Hand – und zwar so schön wie Italienische Maronen – erlusttire dich dran mit deinem gantzen Hauße welches ich auch bitte freundlich zu grüßen. Bey uns siehts wunderselsam aus – Franckfurth ist von ausgewanderten von Achen Coblentz u.s.w. gepropft voll! sollen nun wie es heißt – die Winterquartire auch starck werden; so wird das eine saubre Wirthschaft geben – wollen indeßen auf Gott vertrauen – und so viel nur immer möglich in unsrer Behaglichkeit bleiben – und unsern guten Muth |:der uns schon so viele wichtige Dinste geleistet hat:| nicht verliehren. Was mir am unangenehmsten, ist – ist daß ich eben dieser Zeitläufte wegen – unser Hauß noch eine weile werde behalten müßen – doch wenn ich bedencke wie viel unglückliche Menschen jetzt froh wären wenn sie ein Hauß hätten, und wüsten wo sie ihr Haupt hinlegen sollten; so schäme ich mich, und bitte Gott um Vergebung vor meine Ungedult und Narrheit. Lieber Sohn! ich muß dick doch auch einmahl wieder an die Fächer und Tablo von Stocks erinnern – besorge doch daß die Sachen einmahl zurück kommen. Wie ich höre, so kommen die Weyrauchs wieder zu Euch – es ist mir vor die Leute recht lieb hir wolte es mit ihnen gar nicht gehen – Lilla der Frau ihre letzte Darstellung – keine Hand hat sich gerührt – sie hat mich gedauert – freylich haben wir gar trefliche Lillas gehabt – eine Unzelmann – Willmann – Schick – das hat die Sache freylich vor die gute Frau verschlimmert. Merckwürdig neues pasirt vor der Hand hir nichts – eine allgemeine Sage geht umher – daß der König von Preußen ehestens hir eintrefen würde – das würde wieder ein geträsche wegen der Sophie B. geben! Lebe wohl! Grüße alles was dir lieb ist und alles was fragt nach

Deiner
treuen Mutter
Goethe.


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