Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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72. An Goethe

Sontag den 17 Juni 1781. Morgens 9 uhr

Noch ist Printz Constantin nicht hir – Ich werde Ihn nach meiner gewohnlichen art – freundlich und holdselig empfangen, und am Ende dieses, dir den ferneren Verlauf erzählen. Von Kalb und von Seckendorf waren bey mir, und schienen vergnügt zu seyn, da ich aber wuste daß erster dein so gar guter Freund nicht mehr ist; so war ich Ihm zwar überaus höfflich, nahm mich aber übrigens sehr in acht, um nicht nach Frau Aja ihrer sonstigen Gewohnheit gleich vor Freude aufzufahren wenn mann deinen Nahmen nent – Ich machte im gegentheil meine sachen so fein, als wenn der größte Hof meine Säugamme gewesen wäre – Sie waren aber kaum 10 oder 12 Tage nach Düsseldorf gegangen so kamen Sie schon wieder hir an – da ließen Sie mir ein Commpliment sagen – gingen nach Darmstadt, und versprachen in der Rückreiße mich nocheinmahl zu sehen. Das was ich hätte zuerst schreiben sollen, komt jetzt, nehmlich, Tausend Danck vor deinen Brief, der hat mir einen herrlichen Donnerstag gemacht, daher auch dieser gute Tag mit einigen meiner Freunde, auf dem Sandhof mit Essen Trincken Tantzen und Jubel fröhlig beschloßen wurde. Da du aber ohnmöglich rathen kanst, warum gerade dieser Brief mir so viele Wonne verursacht hat; so ließ weiter, und du wirsts verstehen. Am vergangen Montag den 11 dieses kam ich aus meiner Montags Gesellschafft nach Hauß, die Mägdte sagten daß Merck da gewesen und morgen wieder komen wolte – Ich kleidete mich aus, wolte mich eben zu Tische setzen |:es war gleich 10 Uhr:| als Merck schon wieder da war – Dieses späte kommen befremdtete mich schon etwas – noch unruhiger wurde ich als Er fragte, ob ich keine gute Nachrichten von Weimar hätte – weiter erzählte Er daß von Kalb und von Seckendorf wieder hir wären, Er mit Ihnen gesprochen, und auch noch diesen Abend mit Ihnen speiste – Ich habe gar keine Nachrichten von Weimar, Sie wißen Herr Merck daß die Leute dort, so oft nicht schreiben – Wenn Sie aber was wißen so sagen Sies – Der Docter ist doch nicht kranck – Nein sagte Er davon weiß ich nichts – aber allemahl und auf alle fälle solten Sie suchen Ihn wieder her zu kriegen, das dortige Infame Clima ist Ihm gewiß nicht zuträglich – Die Haupsache hat Er zu stande gebracht – der Herzog ist nun wie Er sein soll, das andre Dreckwesen – kan ein anderer thun, dazu ist Goethe zu gut u. s. w. Nun stelle dir vor wie mir zu muthe war, zumahl da ich fest glaubte – daß von Kalb oder Seckendorf etwa schlimme Nachrichten von Weimar gekriegt und sie Mercken erzählt hätten. So bald ich allein war stiegen mir die grillen mächtig zu kopf. Bald wolte ich an den Herzog, bald an die Herzogin Mutter, bald an dich schreiben – und hätte ich Dinstags nicht meine Haut voll zu thun gehabt; so wäre gewiß was pasirt, nun aber war der Postag versäumt Aber Freytags solte es drauf loß gehen, mit Briefen ohne Zahl

– Donnerstags kam nun dein lieber Brief meinem geschreibe zu vor – und da du schreibst daß du wohl wärst, waren meine Schruppel vor das mahl gehoben. Lieber Sohn! Ein wort vor Tausend! Du mußt am besten wißen was dir nutzt – da meine Verfaßung jetzt so ist, daß ich Herr und Meister bin, und dir also ungehindert gute und ruhige Tage verschaffen könte; so kanst du leicht dencken, wie sehr mich das schmertzen würde – wenn du Gesundheit und kräffte in deinem dinste zusetzen, das schaale bedauern hintennach, würde mich zuverläßig nicht fett machen. Ich bin keine Heldin, sondern halte mit Chilian das Leben vor gar eine hübsche sache. Doch dich ohne Noth aus deinem Würckungs-Kreiß heraus reißen, wäre auf der andern seite eben so thörig – Also du bist Herr von deinem Schicksahl – prüfe alles und erwähle das beste – ich will in Zukunft keinen Vorwurf weder so, noch so haben – jetzt weiß du meine Gedancken – und hiermit punctum. Freylich wäre es hübsch wenn du auf die Herbstmeße kommen könstes, und ich einmahl über all das mit dir reden könte – doch auch das überlaß ich dir. Der Vater ist ein armer Mann Cörpperliche Kräffte noch so zimmlich – aber am Geiste sehr schwach – im übrigen so zimmlich zufrieden, nur wan Ihn die langeweile plagt – dann ists gar Fatal – An der Reparatur des untern Stocks hat Er noch große Freude – meine wohnstube die jetzt gantz fertig ist, weißt Er allen Leuten – dabey sagt Er, die Frau Aja hats gemacht, gelt das ist hübsch – nun wird die Küche gemacht, das ammusirt auch gar sehr, und ich dancke Gott vor den glücklichen einfall den ich da hatte – wenigstens geht der Sommer dabey herum |:denn vor Augst werd ich nicht fertig:| vor den Winter mag die Zukunft sorgen. Wen die Herzogin einen Sohn bekommt; so stelle ich mich vor Freude ungeberdig – laße es mich ums Himmels willen gleich erfahren. Der Kayser Joseph hat unserer Stadt ein groß gaudium gemacht, Er kam zwar im strengsten Inconito – aber das half alles nichts – die Franckfurther als echte Reichbürger stunden zu Tausenden auf der Zeil am Römischen Kayser |:wo das Quartir bestell war:| Drey Kuschen kamen, alles hatte schon das Maul zum Vivat rufen aufgespert – aber vergebens – Endlich kam Er in einer schäße mit 4 pferden – Himmel und Erde was vor ein Lermen! Es Lebe der Kayser! Es lebe unser Kayser – nun komt aber das beste – nachdem Er gespeißt |:um 4 uhr:| ging er zu Fuß in sein Werbhauß im rothen Ochsen auf der Schäffer gaß – vor Freude ihren Kayser zu Fuß gehen zu sehen hätten Ihn die Menschen bald erdrückt. Die Soldaten wolten zuschmeisen um platz zu machen – loßt sie holter gehn – schlagt ja nit – sagte Er sahe alle freundlig an, zog den Hut vor jedem ab – Als Er zurück kam stelte Er Sich in ein Fenster |:nicht auf den Balcon:| und der Lermen ging mit Vivat rufen von neuen an. So groß aber die Freude der gantzen Stadt war; so übel machte die Ankunft des Monarchen dem Herrn von Schmauß, du wirst dich des dicken Kerls noch wohl erinnern – Als Kriegs Commisair hatte Er alle Liefferungen – betrog aber so, daß so wie der Kayser hir an kam – aus Furcht zur Rechenschafft gezogen zu werden – Sich in Mayn stürtze und ersoff. Du fragst, wie der Kayser aussieht – Er ist gut gewachsen, sehr mager, von der Sonne verbrant – hat einen sehr gütigen Blick im Auge – Sein Anzug war, ein grauer Überrock die Haare in einem Zopf – Stiefflen – Bastienne Manscheten – Jetzt wartes alles auf Seine Zurück kunft den es ist ein spaß, und eine halbe Krönung. Franckfurth ist ein curioser Ort, alles was durchpasirt muß den nehmlichen weg wieder zurück – Vivat Franckfurth!!!

I. G.

Dienstag d 19ten Juni Morgens 10 uhr

So eben erschiene Printz Constantm mit Seinem Begleiter – Frisch, gesund, und über unsere Gegenden und lage besonders den Maynstrohm sehr vergnügt. Wir waren ungemein aufgeräumt und behaglich zusammen, Frau Aja, Ajate das kanst du leicht dencken, doch alles hübsch mit Maß und Ziel – Sie wird ja einmahl gescheid werden – Unserer lieben Frau Herzogin dancke zum voraus vor Ihren Brief – Ehestens komt die Antwort – In optima Forma – So viel vor dießmahl – Lebe wohl! Vergieß die Herbstmeß nicht – Gott befohlen.

den 19 Juni 1781

Frau Aja.


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