Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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96. An Louise von Göchhausen

Eine alte sage sagt recht fein,
Poeten dichten nur beym Wein.
Beym Wasser sollen die Verselein,
Durchaus nicht zu genüßen seyn.
Das drückt mich nun am Hertzen schwer
Der Wein ist rahr zu kriegen her.
Wir leben wie mitten auf dem Meer
Es geht drunter drüber kreutz und querr!
Die Keller sind von Wasser voll
Wir singen jetzt aus dem CMollIn der bekandten Melodie, Das alte Jahr vergangen ist.
Nun! Herr Nepptun nur nicht zu doll
Was schirt ihn denn der Reihn und Mayn
Er soll ja Engeländer seyn?Siehe den Teuschen Mercur 1783 pag. 274.
Geh Er in seyn Gebieth hinein
Da laß Ers Wasser aus und ein.
Er war ein Gott? und ist so blind
Weiß nicht daß Menschen Menschen sind
und keine Fisch – Drum schaff Er Wind
Doch säum Er nicht und mach geschwindt
und trockne unsere Keller aus –
und macht Ers gut so steht ein Schmauß
Zu Dinst – doch rätht ihm Mann und Mauß
Einandermahl bleib Er zu Hauß
u.s.w. Genung davon – trotz Noth und Pein –
mein Brief soll dennoch werden fein –
und fehlet mir auch gleich der Wein
mein Danck soll doch in Versen seyn.
Danck! Tausend Danck vor deinen Strauß
Warhaftig der lacht Flohren aus,
Die Kunst erhebt sich zur Natur und folgt getreulich ihrer Spur –
Man glaubt sich unter Blumen Flohr
Das Hertz schlägt freudiger empor –
Denck an den Frühling und vergießt,
Daß der, so nah noch gar nicht ist.
O Täuschung! Du, des Lebens Glück!
oft hast Du meinem Mißgeschick
Die hellste Colorit gegeben –
Verlaß mich nicht in diesem Leben
Bleib bey mir! Andern gönn ich gern
Die Nackte Wahrheit. In der Fern
Will ich sie sehn, doch nicht zu nah, i
st sie vor blöde Augen da?
Ein Adler Auge thuts verstehn,
Doch damit bin ich nicht versehn.
Halt Steckenpferd! Steh still, kom her –
Das purtzelt in die kreutz und quer –
Der Brief der fängt sich an vom Strauß,
Der Schöppfs macht eine Predigt draus, s
o wässerich wie zu dieser frist,
Es hir in Franckfurth Mode ist.
Nun gönn mir noch ein gnädig Ohr,
und merck was deiner Blumen Flohr,
Vor Ehre wiederfahren soll,
Ich bitte dich! Gib Achtung wohl.
Bey Hochzeit, Kindtaufs Schmausereyen
Concerte, Bälle, Gasterereien –
Bei Caffe, Thee, Bon Bon Gelagen –
An allen großen Galla Tagen –
Zu Kusch, zu Fuß, auf Promenaden
Im Glück von volten und geladen –
Bey Schwestern, Vettern, Nichten,
Tanten Gevattern Baaßen Anverwandten –
Und in das neue Schauspiel Hauß,
geh ich geschmückt mit deinem Strauß.
Und endlich dann nun zum Beschluß –
An lieben Wieland meinen Gruß –
Danck Ihm vor den Mercuius – I
ch bitt dich, liebe Freundin thuts!
Und dann – Behalt in Hertz und Sinn
Mich deine Freund und Dienerin

Goethe.

den 1ten Mertz 1784


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