Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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217. An Goethe

den 26ten Juli 1794

Lieber Sohn! Habe doch die Güte mir mit dem ersten Postwagen das geschriebne Verzeichnüß der Bücher so du empfangen hast mir zuzuschicken – ich habe es höchst nöthig alle Nummern müßen nathürlich wegen der entstandenen Lücken in andre Ordnung gebracht werden – der Schuft von Buchdrucker hat das von Lippold geschriebne verlegt oder gar zerrißen – die Auction geht im Augst vor sich – ich ersuche dich also mir mit dem deinigen auszuhelfen. Ohne diesen Vorfall hättest du keinen Brief von mir erhalten, denn bey uns gehts toller zu wie jemahls – alles packt – alles rüstet sich zur Flucht – woher all der wirr warr entsteht kan ich mit Zuverläßigkeit nicht sagen – es verbreiten sich Gerüchte die ich nicht dem Papier anvertrauen mag – genung so arg war es noch nie!! Um nun nicht gantz unthätig zu seyn – um mich wenigstens so viel mir möglich ist von Vorwürfen die mich trefen könten frey zu machen – so habe Gestern meine beste Sachen die sich transportiren laßen in 3 große Kisten durch Lippold Packen und durch den Freund in der Noth Nicolaus Schmidt nach Langensaltze zu seinem Schwager Herrn Polecks überbringen laßen – warum nicht zu dir? das will ich dir sagen – der Mangel an Fuhrleuthe die gerade nach Weimar gehn war die Ursache – Schmidt als ein der Sache Verständiger hat mir diesen Rath gegeben – und ich dumm in diesen affähren – habe ihn befolgt. All mein gutes Weißzeug gemacht und ungemacht – Silber und Geschmeide ist aufs beste gepackt – einbalirt u.s.w. In der größten Unruhe – da Stroh – Seile u.d.g. im Haußehrcn lage – kommt noch eine neue Erscheinung von Einquartirung – K. P. Capitain und Quarttier Meister von Goeltz! nun kommt aber das beste – Er bringt seine Gemahlin mit!! Ach Herr jemine! Wahrhaftig die Frau Aja wird recht getrillt – Gott! Erhalte mir meinen guten Muth und mein fröhliges Hertz – diesen Troblen ohngeachtet – hat mir um 5 uhr mein Eyerkäße recht gut geschmeckt – und diesen Abend werden mir Ehlenlange Krebse die Last des Tages versüßen, a propo! Wann bekomme ich dann einmahl wieder Modejournahle – seit dem Monath Mertz habe ich nicht gesehn – auch Mercure wens beliebt – Ich habe dir 10 Centner Bücher geschickt – also – den Gelehrten ist gut predigen. Länger habe heut nicht Zeit – ich muß noch zwey Briefe schreiben – an Schlosser der nach Bareuth Emigrirt – und an Peter Melchior der in die weite Welt marschirt. Lebe wohl! Gedencke zuweilen an deine in jetzigen Zeiten geplagte Mutter – Grüße alles was dir lieb ist

von
der Frau Aja
wohlgemuth.


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