Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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30. An die Herzogin Anna Amalia

Theureste Fürstin! Gottes reichen seegen über Ew. Durchlaucht und über gantz Weimar! Das war einmahl wieder ein Freytag der Mutter Aja Leib und Seele erfreut hat. Ich hatte so ein Gaudium daß ich gar nicht wuste ob ich erst lesen oder kucken, kucken oder lesen solte, mit einem wort Frau Aja geberdete sich wunderlich endlich fiel mir der Brief von unserer besten Fürstin in die Augen und nun wars entschieden. Alles übrige |:so schön und erfreulich es auch war:| muste zurückstehn und in dieser Ordnung solls auch jetzt gehn. Wie herrlich mir nun zu muthe ward als ich das schreiben von Ihro Durchlaucht gelesen hatte, das ist nicht in meiner gewalt aufs papier zu übertragen, nein so was ist nicht möglich – ich wils in einem seinen guten Hertzen bewahren Amen. Die Reiße nach dem lieben lieben Weimar kan noch gar wohl aufs Frühjahr zu stande kommen – Merck besteht steif und fest drauf, und Ihro Durchlaucht können Sich leicht vorstellen daß das vor Frau Aja der höchste grad von irdischer Glückseeligkeit wäre – Der Vater |:welcher sich Ew. Durchlaucht zu fernerem gnädigen Andencken unterthänig empfehlen läßt:| nahm das gnädige anerbieten Krantzen in meiner abwesenheit zu Ihm zu schicken in gantzem ernst auf und freute Sich sehr daß Er so dievertirt werden solte. Ihro Durchlaucht sehen daraus daß sich die sache wohl wird machen laßen und so gantz ohnmöglich nicht scheint – Indessen biß die Stunde schlägt erzähle ich mir die herrlichsten Mährlein davon und bin seelig in der Hoffnung. Daß uns das Jahrmarcks Fest wieder auf lange Zeit vergnügt und froh gemacht hat werden Ihro Durchlaucht leicht glauben. Über Ahasverus, Haman, und Mardochai, Ester u. s. w. konten wir mit lachen gar nicht fertig werden, besonders gefiehlen uns die 10000 galgen – Herr Krauße soll ein apartes Dancksagungs schreiben von mir erhalten – die 3 Zeichnungen kan man gar nicht genung ansehen, und ich glaube wenn einer halb todt wäre er müßte lachen. Auch die Bänckelsängers Verse und die gemahlten geschichten dazu sind gar nicht zu bezahlen. Alles kriegt Rahmen und gläßer und wird in die Weimarrer Stube zum ewigen Andencken aufgestelt. Bey der gnädigen Freulein Thusnelde werde meinen ergebensten Danck wegen der herrlichen Beschreibung und dem Verzeichnuß der spielenden Persohnen abzustatten nicht ermanglen. Uberhaubt haben mir die lieben und Braven Weimarrer in Zeit von 8 Tagen so große Freude und Wonne gemacht, daß wenn ich alles gehörig beantworten und in richtigkeit bringen will, mann mir wenigstens 8 Tage Respiro verstatten muß: Dann stellen sich Ew. Durchlaucht nur einmahl die sache vor!!! Eine Beschreibung der Fete von Freulein Thusnelde, einen Brief nebst present von Herrn Krauß, ein Brief von Wieland, ein ditto von der lieben Caroline Herder, noch ein ditto nebst einschlag von Meister Phillipp u. s. w. Nun die kurtzen Tage – nun daß biß Mittwoch Catharinen Tag ist, da mir Herr Crespel ein Concert und Soupée gibt – ferner daß Freund Merck da ist, über das alles daß Madamm la Roche hir ist; so kommt Suma Sumarum das Facit heraus daß mann mit mir gedult tragen und daß ich ohnmöglich das alles auf einen Posttag bestreitten kan. Was ich thun kan ist; daß niemand zu kurtz bey der sache komen, sondern jeder, nach standts gebühr und würden bedint werden soll. Ihro Durchlaucht können aus meiner Laune schließen, wie glücklich Sie mich wieder gemacht haben – Erhalten Sie mir Theureste Fürstin diese Unschätzbahre gnade, es ist vor mich immer ein sichrer und fester Stab worann ich mich halte wenn der Weg meiner Wallfahrt schon über Dorn und Distlen geht. So weit hatte ich geschrieben als die Ku[t]sche vor der Thür stand mich in meine Montags gesellschafft abzuholen, da ich nach Hauße kam |:nehmlich Abens um 9 Uhr:| fande einen Brief von Freulein Thusnelde |:das ist doch ein liebes gutes Mädelein die Mutter Aja vor falschem geträsch zu bewahren:| Der von Ew. Durchlaucht Kranckheit, aber Gott sey Milioenmahl Danck gesagt auch von Dero völligen geneßung einen sehr guten Bericht abgestattet hat. Noch einmahl, und abermahl, Nun dancket alle Gott Mit Hertzen, Mund, und Händen.

Montags Abens um 11 Uhr.

Dinstags früh.

Diese gantze Nacht träumte ich von Weimar besonders aber von Ihro Durchlaucht, da kams mir vor als ginge ich über die Zeil und Ihro Durchlaucht säßen auf dem Balcon im Rothen Hauß, riefen mir zu ich solte herauf kommen ich hatte auch großen lusten, es musten aber vorher noch allerley Dinge gethann und bestritten werden, die mir im Traum sehr wichtig vorkammen, das wolte ich nun alles geschwind abthun, arbeitete mit so großer unruhe daß ich drüber wach wurde – So gantz ohne bedeutung dürfte der Traum nun wohl nicht seyn indem ich es einmahl vor ohnmöglig halte den Vater allein zu laßen – es ist gar zu abwechslend mit Ihm in der einen stunde glaubt Er selbst daß es anginge und in der andern macht Ihn der bloße gedancke meines fortgehns kranck – müßen es eben abwarten biß der Frühling komt und als dann sehen was in der sache zu thun ist. Mit mir mags werden wie es will ich mag reißen oder daheim bleiben, wenn ich nur immer höre und erfahre daß Unsere beste Fürstin |:mir und noch so vielen Tausend Menschen zum trost:| im höchsten wohlseyn Sich befindet, und zuweilen mit Huld und gnade an Mutter Aja denck.

Theureste Fürstin! Solten Sie nur einmahl zuhören wan Merck und ich von Ihnen anfangen zu erzählen, und wie wir uns einander Glück wünschen und freuen und frölig sind daß wir Unsere herrliche und beste Fürstin von Angesicht zu Angesicht zu kennen die gnade gehabt haben. So könte ich nun noch 10 Bögen hintereinander fortschreiben, aber da der Brief ohnehin aussieht als wann ihn Henriette Byron gestelt hätte; so will ich Ew. Durchlaucht Gedult nicht länger mißbrauchen, sondern nur noch mich und die so mir angehören zu ferneren gnade unterthänigst empfohlen haben – Ich aber unterzeichne mich mit einer solchen Freude die ihres gleichen nicht hat

Ew. Durchlaucht
Unterthänig gehorsamste Dienerin
C. E. Goethe

Franckfurth d 24ten November 1778


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