Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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215. An Goethe

den 25ten May 1794

Lieber Sohn!

Ob zwar die Bücher hoffendtlich diese Woche gepackt und alsdann so bald als möglich durch einen Fuhrmann an dich abgeschickt werden sollen; so hat es mir doch vor inliegendes Holländische Tuch, und den Batist zu lang gedauert. Verwundre dich nicht daß der Batist aus lauter Lappen besteht – Dein Bettschatz wird es schon einrichten, daß es reichlich an 12 Hemden Manschetten und Voderstriche gibt – die Stockin kauft vor ihren Mann immer solche Lappen – warum aber nicht vom gantzen Stück? Antwort – weil es die nehmlichen Dinste thut und weil der Batist |: da kein Frantzoß mehr her darf :| jetzt enorm theuer ist – die Hälfte ist zum allerwenigsten gespart – brauche alles gesund. Meine Revolution ist in vollem gang – was nun draus werden wird muß sich jetzt bald entscheiden – über die Weine habe alle verständige Leute meiner Bekandschaft um Rath gefragt sebst solche die in gleichem Fall waren wie z.E. Doctor Hetzler der in der Etlingischen Erbschaft mit Erbe war – der war nun so gütig mir die Specivication so wohl der jahrgänge, als auch die Taxation – und den endlichen Verkauf aus dem Inventario mitzutheilen – daraus ich denn ersehen habe, daß da diese Weine ohngefähr mit den unserigen in gleichem Verhältnüß stehen – ich sie vor 8000f loßschlagen kan – den diese Gattung ist nur vor wenige brauchbar – Gogel und Dick sind hir die eintzigen die sich mit so alten Burschen abgeben – nun hat Gogel 7500f geboten, jetzt habe gestern dem Dick proben davon geschickt – und bietet der 8000f so soll er sie in Gottes nahmen haben – den 1tens bringe ich sie nicht an; so muß ich wieder etliche 100f anwenden um auffüll Wein zu kaufen – 2tens entbehre ich jährlich 320f Intereßen – und 3tens bin ich der Kellersitzerrey müde und satt – vorgestern mußte wieder um alles aufzufüllen – Trinckwein zu brechen u.s.w. 5 Stunden unter der Erde seyn! und endlich 4tens wenn ich ein ander logie beziehe – da wäre es nun gantz ohnmöglich die alten Herrn mitzunehmen – und verkaufe ich nun das Hauß so müßte der Keller geräumt werden – und da wäre ich gezwungen noch Kellerzins zu bezahlen – das beste ist sie machen vor der Zeit Platz. Mit dem Hauß ist es jetzt in zimmlicher Bewegung – Lippold hat den Auftrag 3 bis 4 Competenten sind muthmaßlich da – Herr Handelsmann Chamo – Herr Müller der in der Bethmännischen Handlung ist – Herr Senator Metzler Tochtermann von Herrn Keller. Lippold bietet es vor 30000f an – das glaube ich nun eben nicht zu erhalten – müßens eben abwarten. Vor mich scheint sich auch etwas zu presentiren – wenn mir das gelänge; so würde ich nach meiner Empfindung sehr glücklich seyn! Es liegt auf der Seite des Roßmarcks wo die Aussicht die gantze Zeil vor sich hat; hat die Morgensonne – und ich bekäme folgendes – auf der Erde 1 Stube von 2 Fenster vor meine Mägde – eine Küche – Hoff – Holßplatz – Wasser – Regenpompe – Keller – 1ter Etage Wohnstube von 3 Fenster fohrnenheraus die Aussicht nach der Zeil – gleichdran die Schlafstube von 2 Fenster in Hoff – auf dem nehmlich Stock noch 2 Stuben jede mit 2 Fenster auch in Hoff gehendt – Vorplatz – privet – Kammern u. s. w. Das wäre nun alles gantz herrlig; in die Schlafstube würde eine Klingel die in die Mägdte Stube ginge angebracht – so wie ich was bedürfte – geklingelt – da hätte ich oben meine gantze Bequemlichkeit u. s. w. Nun kommt aber, das große Aber – es ist nur erst im Riß und noch nicht gebaut! Wird sich aber auch in der Woche aufklähren, und gebaut ist deßwegen doch bald, weil kein Keller und kein Fundament gegraben wird. Aus dieser Relation sieht du, daß alles in Gährung ist, und daß Frau Aja alle Hände voll zu thut hat – nicht minder daß der guten Frau ihre Seelenkräfte sehr in thätiger Bewegung sind – so lange mir es nur an Eßen – Trincken und Schlafen keinen Abbruch thut – so mags meintwegen kochen biß mans genießen kan. Jetzt kein Wort mehr – ich bin müde, und vor daß daß ich die Molcken trincke – ist diese Epistel lang genung. Lebe wohl! dießes wünscht

Deine
treue Mutter
Goethe.

N. S. Du hast doch verstanden, was ich dir neulich schriebe

– nehmlich daß die Stockin die Neapolitanischen Fächer nicht in Rahmen |:in so fern es nicht schon sind:| eingefaßt haben will – sondern von den andern beyden – eine Rahme zu Probe – weil du sehr beschäftigt bist, so nims nicht übel daß ich dirs nocheinmahl ins Gedächnüß rufe.


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