Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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232. An Goethe

den 22ten Juni 1795

Lieber Sohn!

Ungefähr vor 8 Tagen ist eine Kiste mit den zwey Lüster an dich abgegangen – Von den Spiegelen sind nur 3 die gantz ohne allen Mackel sind, und die brauche ich selbst und muß da ich 5 Pfeiler zu besetzen habe noch 2 vor meinen Gebrauch kaufen – dir ist bekandt, daß alle die Möbel besonders die Spiegel 40 Jahre gedient – und den 7jährigen Krieg – 3 Krönungen – und nun noch 3 Jahre Einquartirungen ausgehalten haben – daher ists nicht zu verwundern – daß hie und da etwas beschädigt worden ist – ich glaubte daß mann solches vielleicht ohne große Umstände Repariren könte – und erkundigte mich deßhalb bey Tabor der sagte mir aber, daß bey viel oder wenig der gantze Spiegel neu mit Quecksilber belegt werden müßte das sind nun die alten Herrn nicht werth – sie sollen also sämtlich im Ausruf verkauft werden – Was die Betten anlangt so habe nur ein einziges übrig das ich nicht entbehren kan – mann kan kranck werden – oder einen Freund z.E. du selbst zum Besuch bekomen u.d.m. Aber Gelegenheit kan doch sich vorfinden zu einem Bett zu gelangen – da es nicht auf einen Stutz seyn muß – so gibts hir mehrmahlen Vorfälle in Ausrüffen u.d.g. wo sich schon so was finden wird – den Judenkram will besorgen. Wegen des Buchs habe von Lippold noch keine Antwort – heute soll er aufs neue erinnert werden – Vor den Willhelm dancke recht sehr – das thut auch Herr Stock – Jedermann ist nur auf den fortgang der Geschichte sehr erpicht – und wartet mit Ungedult auf die folgenden Theile – welches dann vor den Autor ein gutes Zeichen ist. Jetzt Lieber Sohn! wirds du so bald nichts wieder von mir hören – den dieser Brief ist schon 8 Tage in Gedancken geschrieben geweßen – aber Zeit hatte ich nicht dazu – denn nun bin ich im größten wirr warr ich ziehe aus und ziehe ein – und da doch die Hauptsache durch mich besorgt werden muß – und es das erstemahl im meinem Leben ist, daß ich aus und einziehe; so kanst du dir meine Geschäfftigkeit leicht dencken!! Aber die Freude in mein schönes logi so bald als möglich einzukehren versüßt mir alle Mühe. So eben sagt mir Lippold daß er das Buch erhalten hat – daß es aber noch unter den andern läge er will mir es aber ehestens zu stellen – als denn solst du es gleich mit dem Postwagen erhalten. Lebe wohl! Ich habe heute noch viel zu thun – und sage nur noch, daß Gerning sehr vergnügt ist – und daß ich ewig bin

Deine
treue Mutter
Goethe.


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