Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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206. An Goethe

den 13ten Jenner 1794

Lieber Sohn! Nun wirst du meinen langen Brief vom 7ten Jenner erhalten – und meine Meinung daraus zur Gnüge ersehen haben. Vor deinen lieben Brief vom 8ten Jenner worinn du mir deine Hülfe zu meinem fortreißen so hertzlich und Liebevoll anbietest – dancke ich dir recht von Hertzens grund. Ich habe noch zur Zeit nicht die geringste Furcht – eben so wenig dencke ich ans Weggehen – Ein panischer Schrecken hat sich freylich über gantz Franckfurth verbreitet – und es wäre kein Wunder wenn mann mit dem Strudel fortgerißen würde – Furcht steckt an wie der Schnupfen – ich hüte mich daher so viel ich kan den Memmen auszuweichen – um mir den Kopf nicht auch verdrehen zu laßen – doch ist das sehr schwer zu vermeiden – den es ist ein Gemeinplatz wo |: wie bey Feuer Unglück :| / jede Ganß und jeder Strohkopf sein Scherflein wischi waschi anbringen kan – und wie ein Kind dem die Amme ein Gespenster Mährgen erzählt hat sich vor dem weißen Tuch an der Wand entsetzt – gerade so gehts bey uns – Sie glauben |: wenns nur recht fürchterlich klingt wahrscheinlich oder nicht das wird nicht mit kaltem Blut untersucht – das ist alles eins, je toller je glaubwürdiger:| alles. Zum beweiß nur |: unter Tausendt:| ein Geschichgen. Den 3 Jenner kommt Abens um 7 uhr Frau Elise Bethmann im Nachthabit, außer Odem zu mir gerent – Räthin! liebe Räthin! Ich muß dich doch von der großen Gefahr benachrichtigen die Feinde bompardiren Mannheim mit glühenden Kuglen – der Commandant hat gesagt, länger als 3 Tage könte er sich nicht halten u.d.m. Ich bliebe gantz gelaßen – und sagte eben so kalt – wie machen sies dann – daß sie Mannheim beschießen können – sie haben ja keine Batterien schießen sie dann vom flachen Ufer hinüber – da werden ja die Kuglen biß sie über den breiten Reihn kommen wieder kalt – und was der Commandandt zu thun gedenckt, wird er schwerlich austrommlen laßen – woher weiß denn das euer Coreßpondtend – schreibe du ihm, er wäre ein Haßenfuß – So ein Gerüchte verbreitet sich nun, und da die Bethmanns als gewaltige Leute bekandt sind, so glaubt alles sie habens aus der ersten Quelle – da dancke ich nun Gott, daß ich so viel Verstand habe das trierum trarum nicht zu glauben – und das lustigste ist, das sie alle gute Nachrichten nicht glauben – Die Obrigkeit hat den Senator Luther an den Herzog von Braunschweig – den Kaufmann Jordis an Generahl Wurmser abgeschickt um von der Lage der Sachen Gewißheit zu erfahren – Beyde kamen mit den besten Nachrichten und Versicherungen zu rück – das hielft aber alles nichts – sie wollen sich nun einmahl fürchten – sie wollen nun ohne Brandschatzung doch Brandschatzung geben – denn glaubst du wohl daß die Transportirung der hir gelegenen Wahren schon eine Milion f fortzuschafen gekostest hat! Aber so was hat mann auch sehen müßen um es zu glauben! Der Roßmarckt wo alles gewogen werden muß, ist doch ein großer Platz – aber da war vor Fuhren keine Möglichkeit durchzukommen – und das nicht etwann einen Tag, nein, vom ersten Rückmarsch der Deuschen biß auf den Augenblick wo ich schreibe. Da sind 10 Meßen Kinderspiele dagegen. Vorgestern ist mein Nachbar Dübari mit Frau und 6 Kinder auch auf und davon. Ich wolte nur daß alle feige Memmen fort gingen, so steckten sie die andern nicht an. All das Zeug und wirr warr hat mir nun Gott! sey Danck noch keine trübe Stunde gemacht – ich schlafe meine 8 Stunden nett hinweg – eße und trincke was manirlich ist – halte meine Montag Commpanie auch die ditto Sontag in Ordnung – und welches das beste ist, befinde mich wohl. Den plesirten Leutnant habe ich nicht bekommen, davor aber einen Preußischen Obristen nahmens Jungherrn mit 4 seiner Leute – die glauben nun wenigstens im Paradieß zu seyn – Aber was die auch freßen!! die waren so ausgehungert daß es ein jammer war! Gestern ließe ich ihnen einen Schweinebraten zu Tische tragen – das war dir eine Königliche pläsir. Ich bin nicht gern Überbringerin bößer neuigkeiten – also wenn Gerning noch bey dir ist; so sage ihm folgendes nicht – seine Mutter ist vermuthlich auch aus Angst über die gegenwärtige Zeitläufte – Närisch geworden – will nach Italien zu ihrem Sohn u.d.M. Vergeße die Antwort die Doctor Behrends begert nicht – und noch einmahl sagt dir vor deine Liebe und Aufmercksamkeit vor mein Wohl den besten Danck

Deine
treue Mutter
Goethe.

N. S. glaube nicht alles was von hir geschnackt wird – es sind viel feurige kuglen von der Bethmann drunter.


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