Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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183. An Goethe

Am neuen Jahrs Tag 1793

Lieber Sohn! Vielen Danck vor deinen schönen Brief der ist wie er sein soll ich werde bey deinen Freunden Gebrauch davon machen. Die Stelle des Cappelmeisters ist zwar noch nicht ersetzt, aber es ist so ein jämmerlich Amt daß wenn der Mann nicht Clavir stunden dabey gibt er ohnmöglich davon leben kan – auch glaubt Doctor Hetzler |: mit dem ich davon sprach :| daß sie gar nicht wieder würde besetzt werden – und daß unsere überhaubt so elende Kirchenmusick nach und nach gantz eingehen dürfte. Deine zurückgelaßne Sachen, schicke ich längstens heut über 8 Tage mit dem Postwagen an dich ab – villeicht geschiehts noch ehnder – nehmlich den Freytag noch in dieser Woche – du glaubst nicht was einem die Einquartirung vor allerley Molesten macht daß mann vieles drüber vergißt – Entschuldige mich also daß die Sachen auf deinen ersten Brief nicht gleich fortgeschickt worden sind. Die Lampe mit 3 Lichtern ist besorgt, so bald sie fertig ist bekomst du sie wohl eingepackt – es sind schon sehr viele davon verschickt worden, und sind immer glücklich angelangt. Da sie vermutlich vor deinen Gebrauch ist; so mache ich dir damit ein kleines Neujahrs Geschenck. Ich laße einstmahl im Jorick, daß das ein bößer Wind wäre, der Niemandt was guts zuwehte – das trieft nun mit unserm Schauspiel ein – der Krieg und seine Unruhen die so viele Menschen icomodiren und ruiniren macht der anterpriße den Beutel voll – Da der König von Preußen und alle Generälle – Herzogen und Printzen alle Abende drinnen sind; so ist dir das ein Leben wie die Krönung – das Hauß das nun schon längst fertig ist hast du gesehen – es ist zimlich groß – aber vor jetzt meistentheils zu klein – So einen Specktackel wie am 2ten Christag habe ich noch nicht |: selbst die Krönung nicht :| drinnen erlebt – über 200 menschen mußten zurück – mann konte keinen Appfel zu Erde werfen – von der Seite wird es sich nun freylich und zwar mit Nutzen halten. Gott bewahre unsere Stadt vor einem Bombartement – den da könnten wir alle arm und elend werden – und also die Enterpriße gantz nathürlich mit – das wollen wir nun nicht hofen – sondern Gott vertrauen – und den Deuschen Glück und Seegen wünschen. Mein Befinden ist Gott sey [Danck] gantz gut, ich bin wohl und auch vergnügt – trage was ich nicht ändern kan mit Gedult – warte auf beßre Zeiten ängstige mich aber nicht vor der Zeit – nur ist mir unter uns gesagt die deusche Einquartirung sehr lästig – Bey den Frantzosen wenn mann da gemeine hatte hatte mann keine Officire und umgekehrt – Jetzt habe ich zwey Offciere und zwey gemeine – da werden nun statt einer Stube zwey geheitzt, das bey dem theuren Holtz eine garstige Spculation ist – ferner hatten die gemeinen Francken Fleisch, Reiß und Brod im überfluß – diese haben nicht als elendes Brod – die Frantzöische Officire wären lieber Hunges gestorben, als daß sie was gefodert hätten, diesen muß mann es sogar auf die Wache schicken – Summa Summarum es ist eine große Last – meine sind Heßen – wies mit den Preußen ist, weiß ich nicht – da hast du so ohngefähr meine jetzige Lage.

Gott erhalte dich in diesem Jahr mit allem was dir lieb und theuer ist gesund und vergnügt. Er schencke uns den edlen Friedeu diß ist mein und der Wunsch von vielen Tausenden – Behalte mich in Liebevollem Andrucken und sey versichert, daß

ich bin
deine
treue Mutter
Goethe

N. S. Ihro Durchlaucht der Herr Herzog befindet sich wohl – es scheint Ihm hir zu gefallen. Noch eins! Doctor Hetzler läßt dich an den Rußischen Offen erinnern – wovon du ihm ein Model, oder eine Beschreibung versprochen hättest – dencke! Er ist dis Jahr Burgemeister.


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