Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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112. An Großmann

[Anfang Juli 1785.]

Lieber Herr Gevatter!

Da No. 3 die wichtigste numer in Ihrem Brief ist, da Ihre Zufriedenheit davon abhengt; so verdient sie billig den Vorzug, die beyden andern können und sollen nachkommen. Sie verlangen, daß ich deusch, gerade, und bieder meine Meinung sagen soll – das ist viel begehrt! denn um das recht und mit wahrer Treue zu thun – müßte man ja die Person genau kennen – ihre Tugenden und Fehler klahr einsehen – alsden erst laßen sich gründe davor und darwieder abwiegen – und da läßt sich sehen, ob die Schaale fält oder steigt. Das ist nun mein Fall in der that nicht – Ich kenne die Demoiselle Schrott, nur als Schauspielerin – wäre also die Frage von Ihren Theatralischen Talenten da mögten meine Kentnüße noch wohl hinreichen – aber wer sagt mir ob Sie ein gutes braves Weib eine treue Mutter eine ordentliche und spahrsame Haußfrau ist oder werden wird – und doch möchte ich Ihnen so gern meinen besten Rath geben, weil Ihre Ruhe, Ihre Glückseligkeit auf Ihr übriges gantzes Leben, das Glück Ihrer Kinder Suma Sumarum alles davon abhangt. Wenn es wahr ist, daß des Volck Stimme Gottes Stimme ist; so sieht es mit Ihrer wahl freylich bedencklich aus – den das ist doch sonderbahr, daß, alle wie abgeredt Freunde und Feinde ja so gar Menschen die Ihnen gar nicht kennen, das Theater nie besuchen gegen diese Verbindung laut declamiren – Da Sie nun mein Lieber Herr Gevatter! längst überzeugt sind, daß mir Ihr wohl und Glück nicht gleichgültig ist, so wahr sehr natürlich daß auch ich |:bloß aus Freundschaft vor Ihnen, den was vor Vortheil oder Schaden hätte ich sonst davon:| diese wahl nicht billigen konte. Sie wißen daß nicht alle hiesigen Menschen Freunde von Ihnen sind – und daß es Leute gibt, die nur auf der lauer stehn um etwas zu erhaschen, um Ihnen beym Pupplicum ein Bein unterzuschlagen – das wuste ich mußte es mit anhören, und da wünschte ich die sache anders. Aber etwas ist mir bey der Begewenheit doch sehr aufgefallen – nehmlich der allgemeine Lerm gegen diese Heurath – die ursach läßt sich aber doch begreifen und ist so schwer nicht einzusehn. Die Lebens beschreibung Ihrer Seeligen Frau ist in jedermans Händen – Sie erscheint in derselben in einem solchen Licht, das beynahe blendet – Besonders die gantz gräntzen lose Liebe zu Ihnen, das anhangen an Ihre Kinder – die genaue und gute führung Ihrer Wirtschaft, das alles setzt die Verklährte in ein solches Licht – daß freylich die demoiselle Schrott zu starck in Schatten und in Hintergrund stelt. Lieber Großmann! bedencken Sie Sich wohl! Heurathen ist warlich kein spaß, es ist ein wichtiger Schritt! Phillipp in den 6 Schüßlen hat gantz recht – daß man ein weib so geschwind am Hals hat wie das Fieber, nur daß die China nicht so dagegen hielft. Noch einmahl sage ichs, überlegen Sie die sache reiflich – Sie Sind ein Mann von Einsicht, Klugheit und Erfahrung – aber eben deßwegen mehrerem Tadel ausgesetzt – und es zeigt doch allemahl eine Achtung und Theilnehmung von seiten des Pupplicums an, daß es sich so erstaunliche Mühe gibt diese Heurath zu verhindern, und ich zweifle sehr obs Ihnen nach diesem Schritt noch mit Wohlwollen begegnen würde. Hier haben Sie alles was ich Ihnen sagen kan – Obs Ihnen gefält weiß ich nicht, aber Deusch, Gerade und Bieder ist es, das weiß ich. An Schlossern will ich schreiben – an meinen Sohn kan ich deßwegen nichts gelangen laßen, weil ich nicht weiß wo er gegenwärtig ist – man sagt in Böhmen. Leben Sie wohl! Kommen Sie gesund und vergnügt wieder zu uns – das wird alle Ihre Freunde, besonders aber diejenige freuen, die Unverändert ist

Ihre
wahre u aufrichtige Freundin
Elisabetha Goethe.


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