Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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61. An die Herzogin Anna Amalia

Durchlauchdigste Fürstin!

Den Todtesfall von Dero Hochseeligen Herrn Vater habe ich von Hertzen beklagt – Alters wegen hätten Hochdieselben noch lange Sich auf diesem Erdenrund aufhalten, und Ihrer Theuren Gemahlin und allen Ihren Fürstlichen Söhnen und Töchtern zur Freude noch viele Jahre leben mögen – doch in keinem, am wenigsten in diesem stück läßt sich das Schicksal in die Karte gucken, es spielt nun so sein spiel im Verborgnen fort, und 1000 gegen 1 gewettet am Ende müßen wir doch gestehen, daß es das spiel aus dem grunde versteht. Wenn ich meine eigne Erfahrung zur Hand nehme, und dencke, was ich alles, diesen punckt betreffend vor Narrens poßen gewünscht und nicht gewünscht, und wie wann es so gekommen wäre, die herrliche Epoche meines jetzigen Lebens gar nicht hätte erscheinen können, im gegentheil alles alles wäre verdorben und verhuntzt geworden; so habe ich heilig geschworren, mich mit meinem Maulwurfs Gesicht in gar nichts mehr zu meliren, und zu mengen, es immer einen Tag, dem andern sagen laßen, alle kleine Freuden aufzuhaschen, aber sie ja nicht zu anatomiren – Mit einem Wort – täglich mehr in den Kindersinn hineingehn, denn das ist Summa Sumarum doch das wahre, wozu mir dann Gott seine gnade verleihen wolle Amen. Hoffendlich werden Ihro Durchlaucht jetzt in Gottes freyer Welt seyn, den Balsam der Blüthen, Blumen und Kräuter einathmen, und dadurch neues Leben, neue Wonne und Seeligkeit empfinden. O! wie freue ich mich Theureste Fürstin, Ihrer Freuden! Auch Frau Aja hat im sinn sich diesen Sommer hübsch zu nutzen zu machen – freylich muß ich Abens allemahl wieder in mein Häußlein zurück kehren – kan also die Sonne wenn sie geschmückt wie ein Bräutigam hervor tritt nicht sehen, habe sie |: solten das Ihro Durchlaucht wohl glauben :| nie aufgehn sehen – davor will ich oft bey ihrem Untergang mich einfinden, um doch etwas zu genießen. Künftige woche habe vor Freund Merck zu besuchen, die fahrt ist jetzt wegen dem frischen grün in denen Wäldern gantz herrlich – da nehme ich ein paar brave Mädels mit, und einen wackern Bursch der uns gegen die Räuber verdeigigt, und dann singen wir den gantzen weg allerley, was wir aus Operetten und andern Liedern wißen, z.E. Es lebe der Herzog mein Toffel und ich, der Herzog vor alle mein Töffel vor mich u.s.w. Von dem lieben Gevatter Wieland, habe am Samstag einen Brief bekommen – Einen Brief! der gar nicht zu bezahlen ist, davor ist Er aber auch Wieland. Was mir sein Oberon vor seelige Tage gemacht hat, und noch macht, das belohne Ihm Gott. Auch vom schönen Wedel habe gar ein liebes Briefelein gekriegt – Wollen Ihro Durchlaucht die gnade haben, und Ihm sagen, Er solle mit den gläßern im Sack, den Bruder Wolf besuchen und diesem andeuten, wie daß es der Mutter Aja ihr ausdrücklicher Wille wäre, daß besagte gläßer von dem wahren est, est angefühlet und unter dreymahligen hoch auf meine Gesundheit ausgelehrt werden solten. Daß Unser Bester Fürst |: Dessen Andencken bey uns immer im Seegen grünt und blüht :| den Häschelhanß wieder mit nach Leipsig genommen haben, hat mir eine große Freude gemacht, so was Circulirt allzeit biß zu uns, da sind die Franckfurther Kaufleuthe, die, die Leipsiger Meße besuchen, da wird nun das dem gantzen Abdera erzählt wie der Herr Geheimdte Rath mit seinem Fürsten auf der Meße war – das gibt dann unter meinen Basen, Gevatterinnen u.s.w. große Discurse, darob dann Frau Aja eine große Freude hat. Ihro Durchlaucht verzeihen allem diesem Geschwätze – Wann ich die gnade habe, an unsere Beste Fürstin schreiben zu dürfen; so übertreibe ichs allemahl, und weiß weder Ziehl noch maß. Vorjetzt erlauben Ihro Durchlaucht, mir nur noch, vor mich und die so mir angehören die fortdauer von Dero Huld und Gnade auf neue zu erbitten. Ich bin, bleibe, Lebe und ersterbe

Durchlauchdigste Fürstin
Dero
unterthänigste, treugehorsamste Dienerin
C. E. Goethe

Franckfurth d 16 May 1780

N. S. Der Vater empfiehlt sich zu hohen gnaden. Freuleins Thusneldens Briefgen war mir lieb und her – O! wären wir doch wieder einmahl beysammen!!! Schreiben – ja schreiben thuts freylich nicht.


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