Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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73. An die Herzogin Anna Amalia

Durchlauchdigste Fürstin!

Heut vor 8 Tagen war ich so glücklich den Printz Constantin in meinem Hauße zu haben, freylich nur auf kurtze Zeit, doch lange genung um zu sehen, daß Er von unserer Theuren! Besten! und Holdseligen Fürstin ein wahrer Abkömmlich ist. Leutselig und Freundlich besprachen Sie Sich mit mir – und wir wurden gantz warm und vertraut: auch ist Herr Rath Alberti ein wackerer und würdiger Mann, Der mir sehr wohl gefallen hat. Gott begleite Sie auf Ihrer Reiße und bringe Sie gesund und vergnügt zurück Amen. So weit schriebe ich gestern und glaubte gewiß den Brief fortschicken zu können, aber es war gantz ohnmöglich, es war als hätten sich alle Feen und Zauberer verabredet mich unter allerley gestalten zu plagen, und zu verhindern – zum Glück sahen sie noch so zimmlich hübsch aus – waren auch höfflich und Invitirten mich zu Abendschmäußen und Lustfahrten welches dann eben so gar schreckhaft nicht war – Frau Aja fand auch große Behaglichkeit, auf des einen seinen Lustrevier, und übermorgen sols in dem berühmten Willhelms-Baad auch gar nicht trübselig hergehen. Unser Franckfurth ist diesen Sommer so lebhaft, so mit hohen Herschafften angefült, als wens Meße wäre. Der Herzog von Teschen nebst Seiner Gemahlin – Printz Maximilian – Der Erbprintz von Hanau, und alle Printzen 10 meilen in die Runde – was aber denen Franckfurther Reichs Bürgern über alles ging, war die Ankunft Kaysers Josephs, das hieß ein gaudium! Ihro Durchlaucht können so ohngefähr mercken, was Frau Aja mit dem allem sagen will – »Es ist diesen Sommer vor Hohe Herschafften sehr gut und heilsam zu reißen.« So was muß zuverläßig in allen Hof Calendern stehn – Auch in dem Weimarer, den Printz Konstantin beweißts ja – Haben Ihro Durchlaucht die gnade, und überlegen diese sache einmahl ernstlich. Einen Herbst kriegen wir, als bey Menschen gedencken lange keiner war – Trauben wie die im Lande Canan, es verlohnt sich schon der mühe 30 meilen drum zu reißen. Ich werde wenigstens nicht ermanglen, mir gar ein herrliches Mährgen von diesem allen zu fabriziren – Den so was erhält mich, und macht meine Sele wonnevoll. Ja Theureste Fürstin! der gedancke, daß ich immer noch Dero Gnade und Huld besitze, hat mir schon manche trübe stunde helle gemacht. Erhalten Ihro Durchlaucht mir und den meinigen diese unschätzbahre Glückseligkeit, Ich bin davor biß an Ende meiner Laufbahn

Durchlauchdigste Fürstin
Dero
treue und unthertänigste Dinerin

Franckfurth d 29 Juni 1781

C. E. Goethe.


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