Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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205. An Goethe

den 7ten Jenner 1794.

Lieber Sohn! In meinem Leben habe ich noch nie so heis und inbrünstig gewünscht – Weine – Hauß – Bibliothe u.s.w. loß zu werden wie jetzt – wie kan ich weg da mir das alles noch auf dem Rücken liegt – und in denen Trublen denckt kein Mensch an Kauf oder Handel – erlößt uns Gott von den Feinden – daß nichts mehr zu fürchten ist – dann ruhe – dann raste ich nicht – biß ich der Sorge loß bin – jetzt höre auch meinen Plann – alles was aus Hauß – Wein – Bibliotheck – gelößt wird theile ich in zwey theile einen bekömst du – um ihn anzulegen wie dirs nützlich und gut deucht – nur die Intereßen muß du mir geben – denn da ich hernach kein Hauß habe, so muß ich im Zinß wohnen – da ich keine Weine |: denn die geringen müßen auch fort – auch der Garten wenigstens mache ich keinen Herbst mehr sondern verkaufe die Trauben am Stock :| mehr habe, so muß ich doch auch zu meinem Gebrauch welchen kaufen – Schlosser bekomt auf die nehmliche Condition die andre Hälfte – Sterbe ich so hat jeder doch schon etwas im Besitz – die Capitalien die hir angelegt sind – bleiben vor der Hand – und sind bald getheilt – Mitalledem, daß mir die Last den Rücken drück, werde ich doch weder schnell, noch unüberlegt verfahren, dir und Schlosser von allem Bericht erstatten und ohne Euren Rath und Willen nichts thun – 5 Stück alte Weine sind vorhanden 2 Stück von 1706, 1 Stück von 1719, 2 Stück von 1726 – die 3 ersten sind die besten, doch muß alles miteinander gehn – 3 Stück von unserm Garten von 47 der aber schlecht ist, 1 Stück 88 u 89 halb und halb – u 1 Stück allerley jahrgänge durcheinander – den seit 10 Jahren gabs keinen gantzen Herbst – bald 2 Ohm – bald 1 Ohm u.s.w. Vertheilt nutzen sie nichts – ich habe sie also zusammen schmeißen laßen. Meinem Bendermeister der brav ist habe ich 100 f versprochen – wenn er sie gut anbrächte – das würde er auch schon gethann sich wenigsten alle Mühe gegeben haben, wenn die Deuschen sich nicht so hätten jagen laßen – und wir jetzt die Bescherung wieder so nahe hätten. Wenn ich 10000 f vor den gantzen Keller kriege, so hätte groß Lust sie weg zu geben – wollen sehn – aber fort müßen sie. Vor dein gütiges Anerbieten mich aufzunehmen dancke dir – aber alles im Stiche laßen!! Wie würden sie haußen wenn sie ein lehr Hauß antrefen! Vor der Hand habe ich noch guten Muth – Einmahl glaube ich steif und fest sie kommen nicht wieder zu uns – und dann habe ich glauben an Gott – der hat auch bey der Sache noch was zu sagen. Aber unsere Madatores soltest du sehen! Bey all dem Unglück muß mann lachen – und die hohe Nobeleße!! Aber ein prächtiger Feldzug war das einmahl wieder – das muß wahr seyn – sehen und hören verleidet einem – und unsere Stadt da wimelts von Blesi[r]ten – ich soll auch einen Leutnant nebst Feldchirugius und 2 bedinten empfahen – der arme Mensch ist durch die Brust geschoßen – ich habe noch was darüber sagen wollen, aber ich mag nicht. Herr Doctor Behrends mein Leibmedicus läßt sich dir gehorsambst empfehlen, und fragt an, ob im Fall der Roth es erlaubt seye – seine Frau und die kleinsten Kinder nach Weimar zu spediren – Er verlangt weiter nichts – als daß sie vor ihr Geld dort leben dürften nur mögte er wißen – ob mann so gerade zu kommen könte, oder ob der Herr Hertzog Durchlaucht – oder die Regirung darum ersucht werden müßte. Er bittet deßwegen sehr mir in ein paar Zeilen Auskunft darüber zu ertheilen. Und daß es bald geschehen muß versteht sich – Eben so gern möchte ich wißen, ob mein Plan dir so gefält – denn da es vor der Hand nichts als Plan ist; so kans noch nach Gutbefinden alles geändert werden. Lieber Sohn! Zum Fortgehn habe ich keine Lust – auch versichern uns alle Officire daß wir gar nicht zu fürchten hätten – auch ohne diese Versicherungen sind wir seit ein paar Tagen wieder ruhiger – indem Hülfe von allen Orten zu unserer Sicherheit ankommen soll – Gott! verläßt uns nicht das bin ich fest überzeugt – Unterdeßen dancke ich dir vor deine Liebe und Sorgfalt. Sey doch so gut und trage Götzen auf, mir die schon im vorigen Brief verlangte Modenjournahle und Mercure zu übersenden. Der treue Schildknapp wird doch mein kleines Neujahrs Geschenck erhalten haben? Grüße Herrn Gerning, und dancke ihm vor das mir überschickte herrliche presendt. Viele Grüße und Küße an dein gantzes Hauß von

Deiner
treuen Mutter
Goethe.

N. S. Der Hollendische Gesandte Baron von Kinckel empfiehlt sich dir auf beste – Auch Frau Schmerber und Demoiselle.


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