Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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68. An die Herzogin Anna Amalia

Durchlauchdigste Fürstin!

Die unvermuthtete Erscheinung des Herrn Krantzens, hat uns sehr gefreut – Seine Reiße wird gewiß von großem Nutzen seyn – Er wird seine Musicalische Thalende erweitern und als ein herrlicher Virtuoso nach Weimar zurück kehren. Mir ist das vor den guten geschickten Menschen überaus lieb; Gott seegne Ihro Durchlaucht und unsern Besten Herzog vor diß alles – Krantz hat uns mit gerührtem Hertzen die große Gnade so Ihro Durchlaucht vor Ihn haben der länge nach vorerzält. Dero hohen Befehl zu folge habe ich Ihn gütig aufgenommen, und am Rundentisch meine Protection Ihm angedeihen laßen. Wir waren recht vergnügt zusammen, und trancken in uhralten Reihnwein auf das Wohlseyn des Hochfürstlichen Haußes Weimar und Eissenach die Gläßer wacker lehr. Der alte Vater wurde so gar von Freude belebt, druckte Krantzen einmahl über das andre die Hände, weinte aber bey seinem Abschied die bittersten Thränen – Ich habe den Mann in langer Zeit nicht so gerührt gesehn. Daß Schlosser und sein Weib wieder hir sind, werden Ihro Durchlaucht wohl gehört haben, kaum waren sie 10 Tage fort, so starb die alte, und sie musten die herreiße wieder antretten. Mit dem sehen der Iphigenie, des Jahrmarckts und den übrigen schönen sachen des Herren Häschelhanßens, wirds wohl noch Zeit haben: Frau Aja muß noch im glauben leben, das schauen muß sie mit Gedult erwarten. Von dem berühmten Herrn Generahl Supprindtenten Herder habe ich zwey Predigten gelesen, auf die Geburth und Taufhandlung der Printzseß von Weimar – Wan ich Sontags immer so was hören könte, würde mein Kirchengehen auch in beßerer Ordnung seyn, als leyder jetzt, da des Herrn Pfarrers Starcks seine Gemeinplätze, und Wieder-geburthen mein warmes Bett in keine Wege ersetzen. Aber Gnädigste Fürstin! was treibt denn das gnädige Fräulein Thusnelde? macht Sie Verse, oder spint Sie Ihr Braut Hembt? so etwas muß es doch seyn – noch keine Zeile habe ich von Ihr gesehn, und wenn Ihro Durchlaucht nicht die Gnade gehabt hätten, viele grüße von Ihr an mich auszurichten; so würde gewiß geglaubt haben, Sie wäre in das Reich der Schatten hinüber marschirt. Klinger hat aus Petersburg an Schlossern geschrieben, daß er glücklich angelangt, und bald sein Glück zu machen gedächte – Lentz lebt noch, ist noch närrisch – ist Hoffmeister geworden, wo, habe ich vergeßen. Da Ihro Durchlaucht diese zwey Menschen kennen; so wolte doch von ihrem thun und laßen etwas berichten. Theureste Fürstin! Haben Sie die Gnade, und behalten Frau Aja immer in Dero gnädigstem Andencken. Ich lebe und sterbe

Durchlauchdigste Fürstin
Dero
Unterthänigste treugehorsambste Dienerin Goethe

Franckfurth d 15ten December 1780


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