Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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139. An Unzelmann

Den 9ten May 1788.

Lieber Freund

So ist es denn beschloßen, daß Sie durch Ihren falschen gantz am unrechten Ort angebrachten Stoltz und Ehrgeitz sich um die Liebe Ihrer bewährten Freunde bringen, sich ins Unglück stürtzen wollen. Hat Ihnen Ihr hitziges, aufbraußendes, sprudlendes Weßen noch nicht Kummer genung gemacht – wollen Sie nie dem Rath wahrer erprobter Freunde folgen – Freunden denen Sie viel viel Dank schuldig sind – wollen Sie abermahl Ihrem Kopf der Ihnen schon so ofte schlimme Dinste gethan hat auch in der Maintzer Sache folgen! In Gottes Nahmen! Thun Sie was Sie wollen. Aber bringen Sie den Edlen Grafen mit ins Spiel – mißbrauchen sein großmüthiges Vertrauen so abscheulich; so ist dieses der letzte Brief, den Sie in Ihrem Leben von mir zu sehen kriegen – den ein Mann der die größten Wohlthaten so bald nicht allein vergißt, sondern sogar bundbrüchig an dem Freund wird – der kan mein Freund nicht seyn. Sie halten das Ihrer Ehre nachtheilig wenn Sie Dahlberg um Vergebung bitten – um Vergebung bitten thut an der Ehre nicht den geringsten Abbruch – den fehlen ist ja so menschlich – und welcher vernünftige Mann wird sich denn schämen zu sagen, ich habe gefehlt – pasirt denn das nicht Täglich? ist denn das was? In dem punct ist also Ihre Ehre sehr kitzlich – aber Ihre Freunde die Ihnen aus Todesängsten geholfen – die Ursach waren daß Sie als ehrlicher Mann fortreißen konnten |:denn da da stund Ihre Ehre auf dem Spiel:| diese Freunde zu beleidigen das verträgt sich mit Ihrer Ehre! Mit einem Mann der freylich so sonderbahre Grundsätze hat – läßt sich nicht gut disputiren – Wie wenig aber Ihnen auch meine Freundschaft werth ist – daß sehe ich nun auch so klahr daß mich die Augen beißen. Gott laße es Ihnen in Berlin wohl gehn. Er schenke Ihnen Freunde wie die die Sie hier zurückgelaßen haben – aber es gehört auch eine vierjährig probe dazu – und Auftritte wie die waren in denen ich Ihnen hie mehr wie einmahl sah – wollens abwarten, es wird sich wohl am Ende finden. Unzelmann! Noch einmahl ich bitte Ihnen überlegen Sie die Sache reiflich ehe Sie den gefährlichen Schritt wagen – Denn tretten Sie öffentlich auf – fechten gegen Dahlberg, so sind Sie, Sie mögen gewinnen oder verliehren vor uns auf ewig verlohren – und ein kluger Generahl hält sich doch immer gern den Rücken frey. Sie werden nun zwey Briefe von mir empfangen haben – die an Herrn Inspector Lantz adresirt waren – auch einen vom Grafen an mich – schicken Sie mir ihn doch gefälligst zurück – da ich auf meine zwey Briefe noch keine Zeile Antwort erhalten habe, so wäre dieser gewiß nicht fortgeschickt worden – denn in gewißen Dingen bin ich auch Stoltz – aber ich that es um des Grafen willen – von dem ich ein gar Hertzerschüttertes Briefelein erhalten hatte. Den 12ten May sind es drey Jahre da Sie uns auch verließen und nach Cassel gingen – aber da! War die Hoffnung das große Loßungswort – aber jetzt!!! genüßen andre die Früchte, die wir so sorgfältig gepflegt und gewartet haben und das thut gar zu weh! Ich hoffe und glaube nicht daß Sie in der kurtzen Abweßenheit – alle Freundschafftliche Gefühle werden verlohren haben, eine solche undankbahre Seele traue ich Ihnen nicht zu – Stellen Sie Sich also einen Augenblick an Ihrer Freunde Platz – Einen Freund den mann liebt und schätzt – an dem mann alles alles vor jetzt und in Zukunft gethann hat – um Ihm glückliche und frohe Tage zu machen – und dieser zerstöhrt um einer Grille wegen plane, Hoffnung und Glück – verspert sich selbst den Weg uns jemahls wieder zu sehen – Wer über gewiße Dinge seinen Verstand nicht verliehrt – der hat keinen zu Verliehren. Damit Sie aber nicht denken – ich hätte dieses alles aus einer Weiblichen Laune geschrieben; so leßen Sie beykommenden Brief |:welchen ich mir zurück erbitte:| und urtheilen selbst. So weit war ich, als Ihr Brief vom 2ten May ankam – Ich danke Ihnen dafür, den er gab mir doch einigen Trost – aber so lange die Sache mit Maintz nicht gantz ausgeglichen ist; so gebe ich vor alle Hoffnungen keine taube Nuß. Koch war bey mir und mit Thränen in den Augen sagte er wie bestürtzt ihn Ihre plötzliche Abreiße gemacht hatte sie wären noch beysammen bey Tabor geweßt, hätten zusammen gespeißt – er hätte Ihnen nach Hauße begleitet – hätte Ihnen gebeten wenn Sie von Maintz zurück kämen einen Contrakt auf künftige Ostern zu unterschreiben alles wäre so schön eingerichtet geweßen – der Tod hätte ihn nicht mehr erschrecken können als Ihre plötzliche Abreiße – und fuhr er fort wenn ich Ihn und seine Gattin auch nicht so schätzte, wie ich doch wirklich thue; so brauchen wir Sie – Wir hätten uns beholfen keine neue Leute wenigstens nicht auf lange Zeit angenommen u.s.w. Gott verzeihe es dennen Verläumdern, die Ihm Dinge von mir in Kopf gesetzt haben, woran keine Silbe wahr ist – ich spiele von seinen Rollen das ist wahr, aber da sein Rollenfach so mannigfaltig ist; so wird er überall auf Leute stoßen da es das nehmliche ist. Fleck spielt ja die Rollen auch – und wenn ich bedenke was die meisten Stücke |:die wir jetzt gar nicht geben können:| gewonnen hätten – so ist mir der Vorgang noch empfindlicher z.E. Minna von Barnhelm ich den Tellheim, Er den Paul Werner u.s.w. so redete er zwey gantze Stunden – und war sehr brav. Nun habe ich genug von Ihnen geschwatzt nun noch ein Wort von mir. Mein Schauspiel-schuß ist seinem Ende nahe – weder an meinem sonst so lieben Fenster im Schauspiel Hauß weder unter den Spielenden noch unter den Stummen sehe ich was ich sonst sahe und wenn mir einfält daß es auf immer und ewig so bleibt und wenig Wahrscheinlichkeit vors Gegentheil ist; so packts michs bey der Brust, daß ich denke der Odem bleibt mir aus und dann fält mir immer der Brief |:O! Elisabeth was habe ich gethan:| aufs neue ein – Ja wohl hätten Sie doch ein klein bißgen Rücksicht auf Ihre Freundin und auf die Zukunft nehmen sollen. Mein einziger Trost ist noch, daß es Ihnen dort wohlgeht – und daß Sie diejenige doch nie gantz vergeßen werden – die Ihnen so viele Proben gegeben hat – daß sie war, und ist, und bleibt

Ihre Freundin Elisabeth.

N. S. An die Frau Gevatterin meine Empfehlung. Jude Goldschmidt bittet ihn nicht gantz zu vergeßen – sondern in Gnaden an ihn zu denken.


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