Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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75. An die Herzogin Anna Amalia

Durchlauchtigste Fürstin!

Alle Kayser, Könige, Churfürsten, Fürsten im gantzen heiligen Römischen Reich – können meinetwegen kommen und gehen bleiben und nicht bleiben, wies die Majestetten und Hoheitten vor gut finden, das kümmert Frau Aja nicht das geringste, macht ihr Hertzs nicht schwer – Essen, Trincken, schlaffen geht bey der guten Frau so ordendtlich seinen gang, als ob gar nichts vorgefallen wäre. Aber dann geht es aus einem gantz andern thon, wenn so eine Freudenpost aus dem rothen Hauß komt – ja da klopfts Hertz ein bißgen anders, da bleibt alles liegen und stehen – und nun geschwind zu der Besten aller Fürstinnen Der ich eine ewige Untherthanigkeit – und Anbethung geschworen habe. Ja Theureste Fürstin! Ein einziger gütiger Blick der mich fest überzeugt ich stehe noch in gnädigstem Andencken bey unserer Holden Fürstin macht mir mehr Freude und Wonne als alles übrige in der gantzen weiten Welt. Vor die Strumpfbänder dancke unterthänig – So vornehm war ich in meinem Leben nicht – werde sie aber auch alle Morgen und Abende mit gehöigem Respect und Devotion an und aus ziehen – Ihro Durchlaucht müßen aber eine große Idee von meiner Corpulentz gehabt haben den eins gibt gerade zwey, vor mich freylich desto beßer, denn eine solche Ehre wird meinem Leichnam wohl schwerlich mehr wiederfahren, dahero werde ich diese 2 paare so in Ehren halten, daß meine morgen und abend Andacht ununterbrochen viele Zeiten hindurch dauren soll. Bey der lieben Freulein Thusnelde komme ich in eine solche erstaunliche Schuldenlast, daß mir bey meiner angebohrnen Faulheit angst und bange wird – So ein prächtiges machwerck, brächte ich biß an jüngsten tag nicht zu stande – und doch kommt mein Stoltz und weibliche Eitelkeit ins gedränge – Da weiß ich nun freylich nicht so recht, wie ich mich geberden soll – Doch da nur gegen den Tod einzig und allein kein mittel ist; so hoffe ich mich doch noch mit Ehren aus dieser Verlegenheit zu ziehen und bitte Ihro Durchlaucht daß Sie die Gnade haben mögten, einstweilen biß mein Meisterwerck erscheint |:den Spott und Schande wäre ein simpler Brief:| meiner Lieben besten Fräulein Tausendt Danck in meinem Nahmen zu sagen und Sie zu versichern, wie Ihr gütiges und liebes Andencken mir Freude und Wonne in großem maße gemacht hat. Ferner wie das herrliche Porteföille mich überall all überall hinbegleiten soll – in große und kleine Gesellschafften und wie Frau Aja so |:als geschehe es von ohngefähr:| einen Brief oder ein Liedgen sucht – wie das nun alles die Augen aufspert – Ey Frau Räthin, ums Himmels willen! was haben sie da? und wie ich mich dann in Positur zurechte rücke, mich räuspre, mir ein Ansehn gebe, und nun die Geschichte beginne – und wie da, zu meinem großen gaudium, Lob, Preiß, Ehre und Ruhm, auf meine liebe Freulein herabträufflen wird – Ich weiß zuverläßig daß unsere beste Fürstin die Gnade haben wird, diß alles wohl zu besorgen. Ich empfehle mich zu ferener Gnade und Hulde und lebe und sterbe

Durchlauchtigste Fürstin
Dero
Unterthänigste treu gehorsamste Dienerin Goethe.

den 17 Juli 1781


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