Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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102. An die Herzogin Anna Amalia

den 13ten Juni 1784

Durchlauchdigste Fürstin

Hoffrath Bode war mir ein gar lieber Bothe, den Er brachte gute Nachrichten von Unserer Besten Fürstin und ein so gnädiges, herrliches Briefgen das mir die frohe Gewißheit gab, mein Andencken grüne und blühe noch bey einer Fürstin Dero Gnade und Wohlwollen mir über alles in dieser Welt geht. Ihro Durchlaucht haben die Gnade zu fragen, wie es mit mir steht? Gott sey Danck! immer noch auf die alte Art und weiße, das ist verdolmeschts, Gesund, vergnügt, guten Houmors u.s.w. Freylich ist das in meiner Lage eben so keine große Kunst – Aber doch mitalledem liegt es mehr an der innern Zufriedenheit mit Gott, mit mir, und mit den übrigen Menschen als gerade zu an den äußern Verhältnüßen – Ich kenne so viele Menschen die gar nicht glücklich sind, die das arme bißgen von Leben sich so blut sauer machen, und an allen diesem Unmuth und unmusterhaftem Wesen ist das Schicksahl nicht im geringsten schuld – In der Ungenügsamkeit da steckt der gantze fehler. Ihro Durchlaucht verzeihen mir dieße Moralische Brühe – es ist sonst eben meine sache nicht, aber seit einiger Zeit bin ich die Vertraute von verschiedenen Menschen worden, die sich alle vor unglücklich halten, und ist doch kein wahres Wort dran – Da thut mir dann das kräncken und Martern vor die armen Seelen leid u.d.m. Der erschröcklich lange Winter, macht einem die Freuden des Frühling doppelt fühlbar – Auch ich Theureste Fürstin! genüße so viel immer möglich die Herrlichkeit der schönen Natur – und das Vortreffliche Bild unserer Besten Fürstin begleidet mich zu allen Freuden des Lebens – nur nocheinmahl wünschte ich das Glück zu genüßen das mir so Theure Originahl zu sehen! Ist denn dazu gar kein Anschein? gar keine Möglichkeit? Auch Sohn Wolf komt nicht! und da kommen doch von Osten und Westen, Süden und Norden allerley Figuren die – wegbleiben dürften – Das gehört nun freylich alles unter die Leiden dieser Zeit. Wie befindet sich denn meine Liebe Gnädige Freulein von Goechhaußen? Das Theure Freulein scheint etwas Tintenscheu zu seyn – ein Übel das mich auch oft überfält – Darf ich Unterthänig bitten meinen freundlichen Gruß aus zurichten, und wie hertzlich es mich verlangte, mit dem herrlichen Blumenstrauß vor Ihre Augen zu tretten – Gott gebe daß es bald geschehen möge Amen. Ich empfehle mich in aller Unterthänigkeit zu fernerer Gnade und verbleibe biß ins Grab

Durchlauchdigste Fürstin!
Dero
Unterthänigste treugehorsambste Dienerin Goethe.


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