Katharina Elisabetha Goethe
Briefe – Band I
Katharina Elisabetha Goethe

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212. An Goethe

den 1ten Aprill 1794

Lieber Sohn!

Die Bürgerkrone wäre nun verdient! Mama la Roche kommt nicht zu Euch – ich könte um meinen Ruhm zu vergrößern Euch rathen laßen wie ich die Sache betrieben doch kan vor dißmahl die Verheimlichung meiner Talente |: aus Gründen die Ihr gleich hören solt :| nicht statt finden. Gestern fuhr ich nach Offenbach – zum Glück oder Unglück das kan ich noch nicht bestimmen war die l. K. nach Hanau gefahren aber ihre Tochter die Hoffräthin Möhn war bey der Hand – ich will die Geschichte dialogisiren es klingt beßer, als das ewige sagte ich, sagte Sie. Frau Aja – Ey Ey die Mama reißt doch auch immer im Lande herum ich habe gehört sie will auch nach Weimar – Möhnin ja es ist so etwas im Werck – Aja – ja über diese Reiße hätte ich doch etwas mit Mama zu reden – doch da sie nicht da ist kan ichs ihnen auch vertrauen – aber versprechen sie mir daß Wieland in seinem gantzen Leben nichts von alledem was ich jetzt sagen werde erfahren soll – Möhnin. ja das verspreche ich. Aja. Wieland ist mit Arbeiten so überhäuft daß er die Nächte zu Hülfe nehmen muß – weil es eine absulute Nothwendigkeit ist, daß die Sachen fertig werden – darunter leidet sein ohnehin nicht starcker Körpper – nehmen sie nun noch Zerstreuung dazu! sein Geist würde durch das Daseyn seiner Freundin gantz auf andre Gegenstände geleitet werden – Demohngeachtet müßte seine angefangne Arbeit vollendet seyn, da könte warlich eine gantze Zerrüttung der Maschine bewürckt werden u.d.m. legen sie das der Mama an Hertz und sie wird mir vor meine ihr gegebene Wincke dancken – Damit aber Wieland von unserm Plann |: der doch in Wahrheit bloß zu seinem besten angelegt ist :| nicht ahndet; so muß die Mama einen Brief an ihn Schreiben, worinn sie mit großem Bedauren Umstände angibt |: die bey jetzigen Zeiten leicht zu erfinden sind :| die sie verhindern zu kommen. Möhnin. Das alles soll befolgt werden – das verspreche ich ihnen. Nun könt Ihr gantz ruhig seyn denn zum Überfluß will sie Morgen nach Franckfurth und kommt zuverläßig zu mir – und da will ich so empfindsam Salbatern als wenn mann sagte Baal Samen daß mann es könte vor Balsam nehmen. Was macht du denn vor ficks facks mit deiner Unschlüßigkeit – wunderlicher Mensch! nehme deine Jugendfreunde die du ungern verkaufen siehst – suche dir aus was dir Freude macht, was kommt denn auf ein 100 f mehr oder weniger an – du hast ja das erste und größte Recht dazu – nur mache daß ich den Catalog noch vor oder zu Anfang der Meße bekomme – denn zu Anfang des Sommers wird hir eine andre große Bibliothecke verkauft, da mögte ich die unserige gern mit anstoßen – es ist profitabeler – nun muß Schlosser den Catalog noch haben – auch muß er gedruckt und in die Welt geschickt werden, drum zaudre und zögre nicht länger – nimb was du wilt und damit Holla – alsdann schicke ich dir den gantzen ausgesuchten Plunder auf einmahl – was soll ich jetzt und den abermahl packen und schicken u.s.w. Mit dem Verkauf der Sachen werde mich gantz zuverläßig nicht übereilen – doch stille sitze ich auch nicht – ich würcke und treibe die Sache so im stillen – denn wer nicht sucht, der findet auch nicht. Heute habe ich unsern alten Bekandten Peter Melchior zum Mittagessen – da wollen wir ein schwatzen – 20 Jahre uns zurück dencken – Kriegs und Kriegsgeschrei soll nicht in Anschlag kommen – die großen Herrn mögen sich einander bescheißen |: das ist doch das rechte Wort :| Das soll uns nicht kümmern. Der Churfürst von Cöln räumt |: so sagt man :| sein Argief – und zwar nicht aus Furcht vor den Frantzosen – Ha! wenn die Sage wahr wäre – da lachte ich mir einen Buckel! Lebe wohl! Grüße alles in deinem Hauß

Von
deiner treuen Mutter
Goethe.


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