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Maria Bashkirtseff an Guy de Maupassant

Unseliger Jünger Zolas! Das ist ja entzückend! Wäre der Himmel gerecht, so müßten Sie meine Ansicht teilen. Mir scheint die Sache nicht nur sehr unterhaltsam, sondern es können auf diese Weise auch auserlesene Genüsse entstehen, wirklich interessante Dinge, wenn nur völlige Aufrichtigkeit herrschte. Denn schließlich, bei welchem Freunde – Mann oder Weib – braucht man sich nicht irgendwelche Reserve aufzuerlegen und irgendwelche Rücksichten zu nehmen? Während hingegen bei abstrakten Wesen ...

Keinem Lande angehören, keinerlei Gesellschaftsklasse, nur wahr sein! Man würde zu einer Gewalt des Ausdrucks wie Shakespeare gelangen.

Aber genug jetzt mit derlei Mystifikation! Da Sie ja alles wissen, so will ich Ihnen auch nichts mehr verheimlichen. Ja, mein Herr, ich habe die Ehre, ein Schulfuchs zu sein, wie Sie sagen, und ich werde es Ihnen jetzt durch acht Seiten lange Verweise dartun. Zu schlau, um Ihnen mit Bindfäden umwickelte Manuskripte ins Haus zu schleppen, werde ich Ihnen meine Doktrinen in kleinen Dosen beibringen.

Ich habe die Muße der Karwoche dazu benutzt, um Ihre sämtlichen Werke wieder einmal zu lesen. Sie sind doch unstreitbar ein lustiger Bruder, ich hatte Sie niemals in einem Zuge und im ganzen gelesen; der Eindruck ist mithin noch ganz frisch, und dieser Eindruck ...

Alle meine Gymnasiasten könnten darob in Verwirrung geraten, samt allen Klöstern der Christenheit.

Ich für meine Person, der ich doch gar nicht prüde bin, ich bin bestürzt, ja, mein Herr, bestürzt bin ich über diese Ihre Geistesrichtung in betreff jenes Gefühls, das Alexander Dumas der Jüngere »Liebe« nennt. Es wird das noch zur fixen Idee ausarten, und dies wäre bedauerlich, denn Sie sind reichbegabt, und Ihre Bauerngeschichten sind sehr gelungen.

Ich weiß sehr wohl, daß Sie » Une vie« geschrieben haben, und daß in diesem Buche ein gewaltiges Gefühl von Ekel, Traurigkeit und Mutlosigkeit zum Ausdruck kommt. Dieses Gefühl, um dessentwillen manch anderes verziehen sein soll, taucht von Zeit zu Zeit in Ihren Schriften auf und gibt Ihnen den Anschein, als seien Sie ein überlegenes Wesen, das an Weltschmerz leidet. Und gerade das hat mir das Herz zerrissen. Aber wie mir scheint, ist dies Gejammer nur ein Reflex von Flaubert.

Im ganzen genommen sind wir richtige Gimpel und Sie ein guter Possenreißer (sehen Sie, das ist der Vorteil davon, daß man einander nicht kennt) mit Ihrer Einsamkeit und Ihren Geschöpfen mit den langen Haaren ... Mit dem Wörtchen »Liebe« läßt sich doch jeder kapern. O je! Gil Blas! wo bist du? Gerade als ich in diesem Blatte einen Ihrer Artikel beendigt hatte, las ich » L'attaque du moulin«. Da fühlte ich mich in einen herrlichen, duftigen Wald versetzt, wo die Vögel ihr Lied singen. »Niemals hatte tieferer Friede ein von der Natur begünstigtes Fleckchen Erde beglückt.« Diese etwas schulmeisterliche Wendung erinnert einen an die bewußte Inszenierung im letzten Akt der »Afrikanerin«.

Doch Ihnen graut ja vor jeder Musik, ist's möglich?

Man hat Ihnen jedenfalls nur hochklassige Musik vorgespielt! Sei's drum ... es ist ein Glück, daß Ihr Buch noch nicht fertig ist, das Buch, in dem » une femme« vorkommen wird, ja, mein Herr: » une fâme«, und kein gewaltsamer Sport. Wenn Sie bei einem Wettlauf als erster ankommen, so werden Sie diesen Ruhm immer mit irgendeinem Pferde zu teilen haben; und so edel dieses Tier auch sein mag, es bleibt doch immer nur ein Tier, junger Mann!

Gestatten Sie einem alten Lateiner, Ihnen die Stelle ans Herz zu legen, wo Sallust sagt: » Omnes homines qui sese student praestari ...« Auch meiner Tochter Anastasia will ich dies eintrichtern; wer weiß, Sie werden vielleicht noch einmal ein ganz ordentlicher Mensch ...

Tafelfreuden und Frauen! Passen Sie auf, junger Freund, das kann schlimm ausarten; und in meiner Eigenschaft als Schulfuchs sollte ich mich eigentlich davor hüten, Ihnen auf dieses brenzliche Gebiet zu folgen.

Keine Musik, keinen Tabak? Den Teufel auch!

Millet ist gut, aber Sie reden von Millet wie ein Philister von Raffael.

Ich möchte Ihnen den Rat geben, sich einen minder bekannten modernen Maler namens Bastien-Lepage einmal anzusehen. Gehen Sie zu diesem Behuf nach der rue de Sèze.

Wie alt sind Sie, ganz genau?

Sie behaupten im Ernst, schöne Frauen seien Ihnen lieber als alle schönen Künste? Damit wollen Sie mich doch hoffentlich bloß in die Enge treiben!

Entschuldigen Sie, daß diese Bruchstücke so wenig Zusammenhang haben, und lassen Sie mich, bitte, nicht lange ohne Antwort.

Übrigens wünsche ich Ihnen Glück, Sie schrecklicher Ladykiller, und nenne mich nur, von heiligem Schrecken erfüllt,

Ihren ergebenen Diener Joseph Stubenhocker.

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