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Björnstjerne Björnson an seine Frau Karoline

Dresden, den 17. Nov. 1862. 8 Uhr abends.

Meine liebe Karoline! Ich komme eben aus dem Theater, wo ich's nicht länger als zwei Akte ausgehalten habe – man gab ein Drama, das der berühmte Weltreisende Friedr. Gerstäcker geschrieben hat. Ein junger Wirt ist in die Tochter des Forstmeisters verliebt, kann aber das Wildern nicht lassen, obwohl er weiß, daß es ihn eines Tages ins Zuchthaus bringen und er sie auf immer verlieren wird. Sie glaubt an ihn und seine Unschuld, und gerade wie sie ihm das gesagt und er sie geküßt hat, geht er in den Wald, wildert und wird abgefaßt, und dann tötet er den Mann, der ihn festnehmen will. Da ging ich; nach diesen Ereignissen mochte ich seine Geliebte nicht mehr sehen. Es ist aber auch empörend. – Und ich bekam Sehnsucht nach Dir, und ich fragte mich: Bin ich ihr auch immer in Gedanken und Taten treu gewesen, immer so, wie ich sollte? Das bin ich nicht gewesen, und mithin trifft mich einiges von dem, was mich an diesem Mann empörte, trifft mich, wenn ich auch keinen Mord begangen habe. Dann sagte ich wieder zu mir selbst: wohl bin ich leicht entflammt, aber untreu bin ich doch nie gewesen. Sie ist mir nicht nur die erste unter vielen, sie ist auch meine einzige. Und ist dies nicht immer so gewesen, so ist das doch so geworden. Und nie habe ich sie so geliebt wie jetzt; denn jetzt weiß ich, wer sie ist, und besonders, was sie mir ist. Ich bin wandelbar, ich lasse mich fortreißen, aber nicht von ihr fort, nicht von ihrer Liebe fort; ich kann nimmer eine andere lieben neben ihr, Gott ist mein Zeuge. So hilf mir denn, allmächtiger Gott, daß ich ihrer Treue und meinen eigenen Vorsätzen keine Schande mache! Der Du unsere Schuld tilgst, mach' mich stark und zu einem andern Menschen, und schenke mir die Glückseligkeit des guten Gewissens, das uns des Lebens Last erleichtert; mir ist es ein Bedürfnis, meiner Kraft bewußt zu sein – ich habe viel zu leisten. Hier aber liegt die Wurzel meiner Kraft, werde ich in dieser Wurzel getroffen, so bin ich überhaupt geliefert! Um Jesu willen, erhöre mich! ...

Liest Du was? Du bist wohl tüchtig mit den Weihnachtsarbeiten beschäftigt? Du solltest Dir doch Zeit nehmen, etwas zu lesen, und lieber kaufen, was für Geld zu haben ist – das Lesen kann ja doch kein anderer Mensch und kein ander Ding für Dich besorgen. Eine Frau braucht nicht viel; aber ein gewisses Maß geistigen Stoffs, der ihre Gedanken ein bißchen über ihre vier Wände hinausträgt, braucht sie denn doch, und das sollst Du Dir aneignen. Und dann mußt Du in die Kirche gehen. – Ich merke an Deinen Lobeserhebungen über Maren, daß ich ihr etwas zu Weihnachten schenken soll. Ja, das wird mir armem fahrenden Gesellen schwer werden, diese ganze Schenkerei, aber ich muß wohl in den sauren Apfel beißen. Du darfst aber Deine Verwandten in Bergen nicht um Geld bitten, hörst Du; und wenn Du etwas von meiner Mutter bekommst, mußt Du mir's gleich berichten ... Möge Dich der Brief zu guter Zeit erreichen, und möge er Dich recht froh machen, Du Liebe, Liebe, Liebe! Küsse den Jungen, und er soll Dir von mir einen Kuß geben; grüße Deine Verwandten und Freunde von

Deinem
Björnstjerne.

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