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Guy de Maupassant an Maria Bashkirtseff

[Paris] Den 3. April 1884.

Gnädigste, ich habe mich soeben vierzehn Tage in Paris aufgehalten, und da ich die kabbalistischen Chiffren, unter denen Sie meine Briefe erreichen, in Cannes zurückgelassen hatte, so konnte ich Ihnen nicht eher antworten.

Und dann, wissen Sie, meine Gnädige, daß Sie mich ganz gehörig erschreckt haben! Sie zitieren mir Schlag auf Schlag, und ohne mich irgend darauf vorzubereiten, George Sand, Flaubert, Balzac, Montesquieu, den Juden Baahron, Hiob, den Professor Spitzbube zu Berlin und Mose!

Oho, jetzt kenne ich Sie, schöne Maske, Sie sind Ordinarius der Sexta am Ludwigsgymnasium, ich gestehe, daß ich so etwas schon einigermaßen ahnte, weil nämlich Ihr Papier immer ganz leicht nach Schnupftabak roch. Ich höre also jetzt auf, galant zu sein (war ich's je?) und behandle Sie nunmehr als Akademiker, das heißt als Feind. O! Sie alter Pfiffikus, Sie alter Schultyrann, Sie alter Lateinfuchser, Sie wollten sich als eine schöne Frau aufspielen! Und eines Tages wollen Sie dann Ihre Essays einsenden, irgendein Manuskript über »Kunst und Natur«, damit ich es etwa einer Revue einreichen und es in einem Artikel besprechen soll!

Wie gut, daß ich Ihnen nichts von meiner Anwesenheit in Paris mitgeteilt habe; ich hätte sonst eines schönen Morgens einen schäbigen Herrn bei mir eintreten sehen, der seinen Hut feierlich auf den Boden gestellt hätte. Dann hätte er eine mit Bindfäden verschnürte Papierrolle aus der Tasche gezogen und mich folgendermaßen angeredet: »Mein Herr, ich bin die Dame, die ...«

Nun wohl, mein lieber Herr Professor, ich will jetzt trotzdem einige Ihrer Fragen beantworten. Zunächst schönsten Dank für die freundliche Mitteilung der Einzelheiten über Ihr Äußeres und Ihren Geschmack. Sodann danke ich Ihnen für das Porträt, das Sie von mir entworfen haben. Wahrhaftig, es ist ähnlich. Ich will jedoch einige Irrtümer bemerken.

1. Weniger Bauch!

2. Ich rauche nie.

3. Ich trinke weder Bier noch Wein, überhaupt keinen Alkohol, nur Wasser.

Seliges Versunkensein vor dem Maßkrug ist also nicht meine Lieblingspose.

Viel öfter kauere ich mich auf dem Sofa zusammen wie ein Türke. Sie wollen wissen, welchen Maler ich unter den Modernen bevorzuge? Millet.

Mein Lieblingsmusiker? Mir graut vor jeder Musik.

Mir ist wahrhaftig eine schöne Frau lieber als alle schönen Künste. Und ich stelle ein gutes Diner, ein wirkliches Diner – das Diner, wie es so selten ist – fast auf die gleiche Stufe mit einer schönen Frau.

Hier haben Sie mein Glaubensbekenntnis, Sie alter Professor!

Meines Erachtens soll man, wenn man eine große Passion hat, eine wahre Passion, ihr alles unterordnen, ihr alle anderen Leidenschaften opfern; so mache ich es.

Ich hatte zwei Passionen. Eine davon mußte ich opfern – ich habe die Feinschmeckerei einigermaßen geopfert. Ich bin mäßig geworden wie ein Kamel, aber dabei so wählerisch, daß ich nicht mehr weiß, was ich essen soll.

Wollen Sie noch mehr Einzelheiten? Ich betreibe leidenschaftlich allerhand Sport. Ich habe große Wettkämpfe als Ruderer, Schwimmer sowie Fußgänger bestanden.

Nun, da ich Ihnen alle diese intimen Mitteilungen gemacht habe, geehrter Herr Schulfuchs, erzählen Sie mir auch etwas von sich, von Ihrer Frau (da Sie ja verheiratet sind) und von Ihren Kindern. Haben Sie eine Tochter? Wenn ja, so denken Sie, bitte, an mich.

Ich bitte den göttlichen Homer, daß er von dem Gotte, zu dem Sie beten, alles Glück der Erde für Sie erflehe.

Guy de Maupassant.

Ich kehre in einigen Tagen nach Paris, Rue Dulong 83, zurück.

*


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