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Nietzsche an eine junge Holländerin

Genf, den 11. April 1876.

Mein Fräulein! Sie schreiben heute abend etwas für mich, ich will auch etwas für Sie schreiben. – Nehmen Sie allen Mut Ihres Herzens zusammen, um vor der Frage nicht zu erschrecken, die ich hiermit an Sie richte: Wollen Sie meine Frau werden? Ich liebe Sie, und mir ist es, als ob Sie schon zu mir gehörten. Kein Wort über das Plötzliche meiner Neigung! Wenigstens ist keine Schuld dabei, es braucht also auch nichts entschuldigt zu werden. Aber was ich wissen möchte, ist, ob Sie ebenso empfinden wie ich – daß wir uns überhaupt nicht fremd gewesen sind, keinen Augenblick! Glauben Sie nicht auch daran, daß in einer Verbindung jeder von uns freier und besser werde, als er es vereinzelt werden könnte, also excelsior? Wollen Sie es wagen, mit mir zusammenzugehen, als mit einem, der recht herzlich nach Befreiung und Besserwerden strebt? Auf allen Pfaden des Lebens und des Denkens?

Nun seien Sie freimütig und halten Sie nichts zurück. Um diesen Brief und meine Anfrage weiß niemand als unser gemeinsamer Freund Herr v. S. Ich reise morgen um 11 Uhr mit dem Schnellzug nach Basel zurück, ich muß zurück; meine Adresse für Basel lege ich bei. Können Sie auf meine Frage Ja! sagen, so werde ich sofort Ihrer Frau Mutter schreiben, um deren Adresse ich Sie dann bitten würde. Gewinnen Sie es über sich, sich schnell zu entschließen mit Ja: oder Nein – so trifft mich ein briefliches Wort von Ihnen bis morgen um 10 Uhr Hôtel garni de la Poste. Alles Gute und Segensvolle für immerdar Ihnen wünschend

Friedrich Nietzsche.

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