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Stendhal an Giuditta Pasta

Paris, den 21. August 1825.

Gnädige Frau! Ich habe das Gefühl, als sei mein Unterfangen lächerlich. Seit mehr denn zwei Monaten rechne ich mir Tag für Tag vor, wie lächerlich, ja wie unpassend es wäre, wenn ich Unbekannter an eine berühmte Frau zu schreiben wagte, die zweifellos mit allem, was in Frankreich heiter und liebenswürdig ist, in Beziehungen steht. Ich, ich bin ein unbekannter, einfacher Leutnant der Gardekavallerie, unlängst hierher versetzt, abhängig vom väterlichen Zuschuß. Ich bin kein Adonis, wenn auch kein häßlicher Mensch. Ehe ich das Glück hatte, Sie kennen zu lernen, vor meiner Wiedergeburt, die an dem Tage stattgefunden hat, wo Sie die »Viago à Reims« gesungen haben, bildete ich mir ein, ich sei gut gebaut, respektabel und vornehm von Angesicht. Seitdem komme ich mir ganz und gar nicht mehr so vor. Alles an mir erscheint mir banal, mit Ausnahme der lodernden Leidenschaft, die Sie in mir entzündet haben. Zu welchem Zwecke erzähle ich Ihnen das alles? Ich fühle es ja, mein Unterfangen ist lächerlich! Sie werden meinen Brief Leuten zeigen, die ihre Witze über mich machen werden. Ach, welch maßloser Schmerz! Witze über meine Leidenschaft für Signora Pasta! Und doch schwöre ich Ihnen, Signora, die Gefahr, mich lächerlich zu machen, das ist es an sich nicht, was mich zaghaft macht. Für Sie würde ich noch ganz andern Gefahren trotzen! Aber ich stürbe vor Leid, wenn ich fremde Menschen von meiner Liebe für Sie reden hören sollte. Diese Liebe ist mein Leben: ich habe Musikstunden, ich lerne Italienisch, ich lese die Zeitungen, in die ich ehedem keinen Blick geworfen habe, in der Hoffnung, darin Ihren Namen zu entdecken. Ich lese nichts als Seite für Seite das große P, mit dem Ihr Name anfängt, und ich bekomme Herzklopfen, wenn ich eins finde, selbst wenn ein gleichgültiges Wort dahinterfolgt.

Aber wozu erzähle ich Ihnen alle meine Torheiten? Was wird es mir nützen? Wie könnte ich mit Ihnen bekannt werden? Wie Ihnen vorgestellt werden? – Ich bin nur in ein paar altmodischen Salons eingeführt, die keine Beziehungen zu Ihnen haben. Ich verkehre beim Herzog von ***; kommen Sie dahin? Ich bin tiefunglücklich, Signora. Sie können mein grenzenloses Weh nicht verstehen! Zwanzig Jahre lang hat mich die Sehnsucht verzehrt, nach Paris zu kommen, ich war ein Pferdenarr, mit Leib und Seele Soldat. Alles das ist mir nun verleidet.

Wie könnte ich mit Ihnen bekannt werden? Wenn Sie in Paris weilten, setzte ich mich in eine Droschke, als ob ich jemanden erwartete, und beobachtete Ihre Fenster. Aber Sie sind auf dem Lande, wie ich höre, und ich kann aus dem Portier nicht herausbringen, wie der Ort heißt. Ich glaube, ich habe vor diesem Mann Angst. Ach, ich verabscheue mich selber! Und wenn mir das Glück widerfahren sollte, Ihnen vorgestellt zu werden, so würden auch Sie sich vor mir fürchten.

Ich habe meinen Brief abbrechen müssen. Ich war zu unglücklich.

Ich bin sechsundzwanzig Jahre alt, braun, leidlich groß; man sieht mir den Soldaten deutlich an, wie die Leute sagen; aber nach dem Vorfall mit Ihrem Portier habe ich mir meinen Bart, soweit es anging, verschneiden lassen. Wenn es nicht gegen die Regimentsorder wäre, hätte ich ihn mir ganz wegnehmen lassen. Ach, wenn Sie sich nur wenigstens vor meinem verstörten Aussehen nicht fürchten, wenn ich je das Glück haben sollte, Ihnen vorgestellt zu werden! Haben Sie keine Angst, Signora, ich bin gar nicht zudringlich. Ich werde nie zu Ihnen von meiner unglücklichen Leidenschaft reden. Ich begnüge mich damit, Sie kennen zu lernen. Ich werde nichts sagen als bloß: Ich bin Charency.

Narr, der ich bin! Man wird Ihnen meinen Namen schon laut genug sagen, wenn ich Ihnen vorgestellt werde.

Aber ich will fortfahren. Sie über mich zu orientieren. Ich stamme aus einer guten Lothringer Familie. Ich werde dermaleinst bequem zu leben haben. Ich habe eine vortreffliche Erziehung gehabt. Leider Gottes ist man aber nicht auf den Einfall geraten, mich nach Italien reisen zu lassen, sonst verstünde ich Italienisch und vor allem Musik. Vielleicht – aber das dünkt mich unmöglich – würde ich Sie leidenschaftlicher lieben, wenn ich den himmlischen Melodien, die Sie singen, als Kenner lauschte, aber nein, nein, das dünkt mich unmöglich!

Leben Sie wohl, Signora, mein Brief ist allzulang bereits. Und dann: was nützt es, daß ich Ihnen schreibe?

Mit der größten Hochachtung, Signora, bin ich Ihr ganz ergebener und gehorsamster Diener

Edmund von Charency.

*


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