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Karoline von Dacheröden an Wilhelm von Humboldt

Freitag abend, den 18. Februar 1791.

O mein liebes, liebes Wesen, welch einen Morgen hast Du mir gegeben! Meine Seele war in so dumpfe Betäubung gesunken, vergebens sucht' ich mich herauszureißen, vergebens eine freundliche Vorstellung des Lebens zu fassen – ich vermocht's nicht, vermochte nicht, Dir zu schreiben und alles Weh meines Busens vor Dir auszusprechen. Hier lag es zentnerschwer, ach, und so öde war es in mir, so zerrissen mein ganzes Wesen. Dein armes Kind hatte nicht den Trost erleichternder Tränen. So vergingen drei bange Tage, ach, dadurch doppelt bang, daß ich nicht allein sein konnte, drei Nächte – laß mich schweigen von ihrer Qual. Heut kam ja Dein Brief. Wie viele Tränen weint' ich über ihn – wie wohltätig lösten sie den dumpfen Schmerz meiner Seele. Ich fühle Dich nun wieder, fühle Deiner Liebe untrennbare Gegenwart, und es weht mich ein Hauch neuen Lebens an. O, laß mich weinen, laß mich diese wiederkehrenden Tränen segnen und der unaussprechlichsten Wehmut süße Wonne, die mein schwankendes Leben trägt. So nahe dem Ziel, verzagt' ich, es zu fassen, der Hoffnung goldne Strahlen verloschen in dunkler Nacht, leer von jedem regen Mut empfand ich mich zurückgesunken und totenmatt und mein beßres Leben entwendet. Geliebter Mann, laß mich schweigen von diesen bangen Tagen – laß mich Dir danken für das süße Leben, das Du mir wiedergibst, ein Geschenk Deiner erbarmenden Liebe, wird es die besten Kräfte meines Wesens wecken, mich Dir zu erhalten. O, nur des menschlichen Lebens schönste, vollendetste Blüten sind wert, Dir gereicht zu werden; wenn in meines Daseins lichtesten Momenten ich mich mit der Hoffnung nährte, sie Dir zu bringen, so war es das Werk der seligen Begeisterung, zu der Deines unaussprechlichen Wesens Anschauen mich hob. Der Wahrheit reiner Odem müsse ewig meiner Seele süße Ahndungen umschweben. Von Dir geliebt mit dieser einzigen Liebe, mein ganzes Wesen Dir hingegeben, wie es ist, muß mein werden, was Menschen zu erreichen vermögen. Meine Seele fliegt wieder auf. Es ist mir, als hört' ich Deine süße Stimme mir sagen: »Sei getrost und stark, meine Li«, als säh' ich Dein Auge, wie ich es oft sah, wenn Du an meinem Busen lagst und, über alles Irdische erhoben, das Walten der Schönheit inniger vernahmst. O, süße Liebe, wie heilig schwebt mir jede Erinnerung wieder vor! ...

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