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Feldzeugmeister Benedek an seine Frau Julie

Wiener-Neustadt, am 4. August 1866.

Soeben erhalte ich Dein teils gutes, teils ungerechtes Schreiben vom 2.

Du sagst, gegen Dich war ich immer streng, ja hart! Dies lasse ich unerörtert, unbeantwortet.

Wenn alle Welt um Dich herum allenthalben laut und offen schimpft und anklagt, dann soll die Frau des FZM. Benedek ruhig und würdevoll trauern über das Unglück, das Österreich und ihren Mann getroffen, sie soll ihre Worte auf die Wagschale legen, damit die bösen Zungen, die Neider und Feinde ihres Mannes, und vielleicht auch ihre eigenen, nicht Gelegenheit finden, eine oder die andere heftige Äußerung der Frau des FZM. Benedek im bösen Sinne auszubeuten.

Endlich, und was die Hauptsache ist, Du weißt es recht gut, und Du mußt es wissen, daß wirkliche, schmerzhafte, tiefe und nachhaltige Kränkung mir nur durch Dich gekommen ist, und nur Dich kommen kann. Alle Welt, Hoch und Nieder, Groß und Klein, Verwandte und Unbekannte – kurz alles auf dieser Welt ist nicht imstande, die innerste Fiber meines Herzens und meines Gemütes zu berühren, nur Du hast diese Gewalt über mich.

Ist es zu viel verlangt, wenn ich Dich bitte, wenn ich's verlange, daß Du mein Herz und mein Gemüt schonen sollst? Ist es denn Dir Bedürfnis, es immer herauszusagen oder niederzuschreiben, was Dir durch Dein erhitztes Köpferl zieht; was Gift und Galle und Leidenschaft Dir eingibt, oder was boshaftes oder dummes Geschwätz von dummen und boshaften Leuten à la Reichel etc. etc. hervorruft? Warum willst Du mir nicht Reflexionen ersparen, die meine Lage und mein Unglück doch nicht ändern können? Sei froh, liebe Julie, daß ich's so anständig trage, was das Schicksal und meine Ergebenheit als Soldat und Untertan mir auferlegt hat. Gereicht mir wahrhaftig mehr zur Ehre, als wenn ich meine Reflexionen laut werden ließe. Es wird auch noch die Zeit kommen, die mir gerecht werden wird. Und wenn sie auch nicht käme, so genügt es mir vorerst, daß ich mit mir selber, mit meinem Gewissen und mit meinem Herrgott im reinen bin. Habe den lebhaften Wunsch, und kenne ein einziges Glück, d. i. mit Dir, liebe Julie, in Frieden und Verständnis meine Tage zu beschließen. Ob ich Dich liebhabe, ob ich Dich achte und ehre, müssen Dir meine Briefe im Laufe des Feldzuges bewiesen haben, und eigentlich solltest Du's längst schon wissen. Genügt Dir das nicht, ist es Dir Bedürfnis, an meinem wunden Herzen und Gemüt zu zerren, kannst Du mein Unglück nicht heilig halten, dann ist es besser, ich bleibe fern und trage allein und ende allein in welch immer einem Winkel der Welt. –

Ich sage dies alles mit ruhigem Verstand, mit reinem Gemüt, mit warmem Herzen und mit großer Ergebenheit; es zuckt in mir auch nicht ein Atem von Leidenschaftlichkeit, Aufwallung oder Galle. Bin vollkommen Herr meiner Nerven, und nur, wenn ich an Dich denke, umschleiert sich mein Auge und tut mir's weh im Herzen. War seit Monaten wunderbar gesund, nur heute bin ich früh, als ich reiten wollte, auf meiner zu glatten Stiege hingeschlagen und bin nun recht zerlempert. Zum Glück hab' ich mir nichts gebrochen. Wird bald wieder ganz gut sein.

Es hat den Anschein, daß ich hier in Neustadt das Ende der Untersuchung abwarten muß. Vielleicht wird man mich noch einmal vorrufen am Ende und mich nach Reassumierung der Angaben anderer nochmals fragen, worauf ich abermals antworten werde, daß ich niemandem ins Gesicht schlagen will, und weil mein Gedächtnis gelitten hat, nicht Rede und Antwort geben kann – nicht geben will.

Mir fällt das Schreiben heute recht schwer, habe nur umgehend Dir geantwortet, weil ich Deinem Wunsche immer gerne nachkomme; wenn ich nur halbwegs kann.

Wenn einmal die Eisenbahnfahrten in gewohnter Weise für alle Welt frei sein werden, werde ich Dir ein Rendezvous geben in Bruck, wenn es Dir gelegen. Das ist bisher meine Idee. Nach Neustadt kannst und sollst Du nicht kommen. In einigen Tagen werde ich vielleicht auch mehr wissen über mich selbst. Bin zwar hier ganz umsonst, aber Du begreifst, daß ich um alles in der Welt an niemanden ein Ansuchen stellen möchte. Was ist's um Gottes willen mit Deinem Herzkrampf? Bleibe gesund, meine liebe Julie, denn nur Du kannst auf dieser Welt mir noch Freude und mich recht unglücklich machen. Ich kann nicht mehr.

Es küßt Dich recht herzlich

Dein Louis.

*


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