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Natalie Zacharin an Alexander Herzen

Moskau, den 16. Januar 1836.

Als Du mir sagtest, Alexander, daß Du Dich mir schenkst, fühlte ich meine Seele rein und groß werden, ich wußte, mein ganzes Wesen mußte wunderbar werden. Mein Freund, ich war glücklich, daß ich Dich bewundern, Dich lieben durfte, ich wurde größer und tugendhafter, nur weil ich wünschte, meinem Ideal näher zu kommen! Und doch schien es mir wieder weitab wie ein himmlischer Stern. Ich lebte nur in Dir, ich atmete, weil ich mich von unsrer Freundschaft umgeben fühlte, die ganze Welt war mir durch Dich schön. Ich fühlte mich als Deine Schwester und dankte Gott dafür: ich fragte mich, was ich noch wünschen könnte, aber ich schwöre Dir, ich fand nichts, so war meine Seele erfüllt von Deiner Freundschaft, so sehr genügte sie ihr. Doch Gott wollte mir einen zweiten Himmel erschließen, er wollte mir zeigen, daß meine Seele noch mehr des Glückes tragen kann, daß die Glückseligkeit derer, die ihn lieben, keine Grenzen hat, daß Liebe mehr ist als Freundschaft ... Oh! mein Alexander, Du kennst dies Paradies der Seelen, Du hast sein Lied gehört, Du hast es selbst gesungen, mir fällt sein Licht zum erstenmal in die Seele, ich bete an, ich bewundere, ich liebe.

Alexander, mein Freund, ich möchte ein vollkommener Engel werden, um Deiner ganz würdig zu sein, in der Brust, an die Du Dein Haupt legen wirst, sollte der ganze Himmel Platz haben, damit Dir nichts fehlt, aber diese Brust ist nur reich durch Deine Liebe, durch Dich Und mit dieser Liebe – wieviel Glauben an Dich – und wäre Liebe ohne Glauben möglich? Nein, mein Freund, nein, mein Engel, Dein Ideal ist fern, suche es dort, dort bei Gott, hier auf Erden ist es nicht. Du vermagst das Ideal vieler zu fein, doch Deines ... Ich bin oft traurig, wenn ich an mich denke und meine Niedrigkeit neben Dir sehe, mein unvergleichlicher Alexander; meine Brust ist zu eng, um alles zu umfassen, was Du Dir wünschst, vielleicht ist auch meine Seele noch zu fern von Deiner Seele, um eins mit ihr zu werden. Nein, mein Engel, Du bist unvergleichlich. Dir kann niemand gleichkommen und ich – Du findest viele, die wie ich sind. Neige nicht Dein Haupt auf meine schwache Brust, sie trägt so viel Kostbares, so viel Heiliges nicht. Ich bin traurig ... Leb' wohl. –

*


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