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Lawrence Sterne an Elise Draper

Ihren Brief, Elise, erhielt ich gestern abend, als ich vom Lord Bathurst nach Hause kam, bei dem ich zu Mittage gespeist hatte, und woselbst man mir mit so vielem Vergnügen und solcher Aufmerksamkeit zuhörte (denn ich sprach eine Stunde lang ununterbrochen von Ihnen), daß der gute alte Lord zu dreien verschiedenen Malen Ihre Gesundheit einsetzte; und so wie er da ist, in seinem fünfundachtzigsten Jahre, sagte er, er hoffe noch so lange zu leben, daß er als ein Freund bei meiner schönen indischen Schülerin eingeführt werde, um zu sehen, wie sie alle anderen ostindischen Krämerfürstinnen ebensosehr an Reichtum verdunkle, als sie solche bereits an äußerlichen Vorzügen und (was noch weit besser ist) an innerlichen Verdiensten übertrifft. Ich hoffe es ebenfalls; dieser alte Herr von Adel ist schon mein vieljähriger Freund. – Er war, wie Sie wissen, beständig ein Beschützer witziger und geistreicher Personen und hat die aus dem vorigen Jahrhundert, als Addison, Steele, Pope, Swift, Prior usw. beständig zu Tischgenossen gehabt. Die Art und Weise, wie er mit mir Bekanntschaft gemacht, war ebenso sonderbar als fein und höflich. Er kam, als ich einst bei der Prinzessin von Wales zur Aufwartung war, auf mich zu und sagte: »Ich möchte gern mit Ihnen bekannt sein, Herr Sterne; aber es ist billig, daß Sie wissen, wer der ist, der dieses Vergnügen wünscht. Sie haben«, fuhr er fort, »von einem alten Lord Bathurst gehört, von dem Ihr Pope und Swift so viel gesungen und gesagt haben. Ich habe mein Leben mit Geistern von solcher Art zugebracht: aber ich habe sie überlebt; und da ich die Hoffnung aufgab, jemals ihresgleichen wiederzufinden, so habe ich schon vor einigen Jahren meinen Strich gezogen und meine Rechnungsbücher geschlossen; ich habe nicht geglaubt, daß ich sie jemals wieder öffnen würde; Sie aber haben eine Begierde in mir erweckt, noch einmal, ehe ich sterbe, ein neues Folium anzufangen; das tue ich hiermit; und also kommen Sie und essen zu Mittag bei mir.« Dieser Lord, sage ich Ihnen, ist ein Wunderzeichen; denn in seinem fünfundachtzigsten Jahre hat er allen Witz und alle Fertigkeit des Geistes eines Mannes von dreißig, eine Neigung, vergnügt zu sein, und ein größeres Vermögen, andern Vergnügen zu machen, als ich jemals gekannt habe; dazu kommt noch, daß er ein gelehrter, höflicher und gefühlvoller Mann ist.

Er hörte mich mit ungemeiner Zufriedenheit von Dir sprechen, Elise; denn es war nur noch eine dritte, und zwar sehr vernünftige, Person bei uns. Und ich denke, wir hätten einen recht empfindsamen Nachmittag bis 9 Uhr hingebracht! Aber Du, Elise, warst der Stern, der unser Gespräch leitete und belebte. Und wenn ich nicht von Dir sprach, so erfülltest Du doch meine Seele und erwärmtest jeden Gedanken, den ich vorbrachte: denn ich mache mir keine Schande daraus, es zu gestehen, daß ich Dich sehr vermisse. Bestes unter allen guten Mädchen! Die Leiden, die ich die ganze Nacht über wegen der Deinigen ausgestanden habe, Elise, kann ich Dir mit Worten nicht beschreiben. Es ist gewiß, der Himmel verleiht nach Maßgebung der Last, die er uns auflegt, die Kräfte. Du bist, mein gutes Kind, unter jeder Bürde niedergedrückt, welche Sorgen des Herzens und Schmerzen des Körpers einem armen Geschöpfe aufladen können; und dennoch sagst Du mir. Du fingest an, Erleichterung zu fühlen; Dein Fieber ist vorüber, Deine Mattigkeit und der Schmerz in Deiner Seite sind gleichfalls im Abzuge. Möchte doch jedes Übel so abziehen, welches Elisens Glückseligkeit stört oder nur auf einen Augenblick Deine Besorgnis erweckt! Fürchte nichts, meine Teure! Hoffe alles, so wird der Balsam dieser Empfindung auf Deine Gesundheit wirken und Dich eines Frühlings von Jugend und Fröhlichkeit genießen lassen, wie Du sie bis jetzt noch schwerlich gekostet hast ...

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