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Lotte an Schiller

Sonntag früh [Februar 1790].

Guten Morgen, mein Teurer, unsere Zeilen von gestern hast Du wohl richtig erhalten? Wir haben gestern »Kabale und Liebe« aufführen sehen. Und es hat mich bewegt und recht unruhig gemacht; sie haben es leidlich gegeben. Es war mir ein eigenes Gefühl, etwas von Dir zu hören, aber fast erkennt Dich mein Herz nicht in der Sprache, die darin herrscht, und jetzt könntest Du nichts mehr so schreiben, glaub' ich, gewiß, schönere, sanftere Bilder erfüllen Deine Seele jetzt, der Ton Deiner Farben ist milder. Wie unterschieden ist nicht »Carlos« von diesem früheren Produkt Deiner Muse, und wieviel mehr greift er ans Herz! Die Ackermann hat die Lady Milford sehr gut gespielt, und ihr Anstand war edel. Diesen Charakter hab' ich sehr lieb.

Ich möchte wohl, wir könnten einmal nach Hamburg oder Mannheim reisen, um eins von Deinen Stücken geben zu sehen.

Am Donnerstag waren wir bei der Stein den ganzen Tag. Abends kamen Herders, und die St., der wir die Memoiren der Komnena gegeben haben, zeigte sie ihm, und es wurde die universalhistorische Übersicht gelesen, ich habe mich gefreut, daß H. so viel Sinn dafür hat, und daß sie ihm so gefallen hat. Er lobte überhaupt Dein Unternehmen mit den Memoiren, wer nur jetzt das Buch sieht, will es kommen lassen.

Ich freute mich den Abend recht über Herders, sie sind doch recht interessant, und wäre ich mit ihnen an einem Ort, so könnte mir ihr Umgang viel geben.

Die Kalb ist krank schon seit einiger Zeit, ich besuche sie nicht, denn es ist gerade nicht meine Sache, ihre heftigen Ausdrücke anzuhören, und so etwas hat sie wohl mit mir vor. Ich möchte es doch eigentlich wissen, wie es mit den Briefen wäre, so ganz gewiß rede ich nicht dagegen, daß man sie nicht auffangen könnte, es würde sie am meisten ärgern, daß ihrer so gar nicht erwähnt wird, und für wichtig hält sie sich doch gewiß und meint, man müsse nur immer darauf achtgeben, wie sie sich beträgt. – Es ist mir so ganz gleich, was sie von mir nun denkt und sagt. Sonst war sie mir wirklich lieb, aber es war nicht das, was sie wirklich hat, sondern was ihr durch den Umgang mit Dir geblieben war, dies liebte ich eigentlich nur, ist mir jetzt klar geworden. Denn übrigens sind wir doch ganz ungleichartige Geschöpfe, und die vielen Härten in ihrem Wesen passen gar nicht zu mir. –

Es sind schon wieder acht Tage vorbei, und wir sahen uns nicht. Die Zeit ist mir so lang, wenn ich dies denke. Die vorige Redoute war mir so leer, ich sah die Plätze, wo wir miteinander waren, und sie waren mir lieb deswegen. Wir waren nicht lange da ...

Nun leb' wohl, Lieber, ich muß mich zurechtmachen, zu der St. zu gehen, sie ist krank. Adieu, adieu.

*


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