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Elizabeth B. Barrett an Robert Browning

Donnerstag abend. [20. Dezember 1845.]

Liebster, Du verstehst zu sagen, was mich so glücklich macht, Du, der nie daran denkt, wie Du sagst, mich glücklich zu machen! Ich meinesteils denke auch nicht daran; ich begreife nur, daß Du mein Glück bist, und daß Du also für mich kein anderes Glück mehr schaffen könntest, das zu haben sich lohnte – nicht einmal Du! Denn wie könntest Du's? Das wollte ich gestern sagen, aber ich konnte es nicht – es zu schreiben, ist leichter.

Da wir von Glück reden – soll ich es Dir sagen? Versprich, nicht böse zu sein, und ich will es Dir sagen. Ich habe bisweilen gedacht, wenn ich nur mich bedächte, möchte ich lieber diesen Winter sterben – jetzt – ehe ich Dich in irgend etwas enttäuscht habe. Weil aber Du besser und lieber und mehr zu berücksichtigen bist als ich, so möchte ich es nicht. Ich kann nicht wünschen, Dir Schmerz zu machen, selbst auf die Aussicht hin, daß es ein geringerer Schmerz, ein geringeres Übel wäre, als was vielleicht folgen mag (wer kann das sagen?), wenn ich die Last Deines Lebens werde.

Denn wenn Du mich mit manchen Worten glücklich machst, ängstigst Du mich mit anderen – wie mit der Überschwenglichkeit gestern – und im Ernst – nur zu sehr im Ernst, wenn der Moment, über sie zu lächeln, vorbei ist – erschrecke ich, ich zittere! Wenn Du mich erst so kennen lernst, wie ich mich kenne, was, meinst Du, kann mich dann davor retten, daß ich Dich enttäusche und Dir mißfalle? Ich stelle die Frage und finde keine Antwort.

Es ist eine ärmliche Antwort, wenn ich sage, ich kann eines gut ... ich habe eine Fähigkeit in hohem Maße. Im Punkt der allgemeinen Zuneigungen habe ich in Gedanken die Worte der Madame Staël auf mich angewandt, nicht grollend, hoffe ich, nicht klagend, dessen bin ich sicher (ich kann Gott für sehr liebevolle Freunde danken!), nicht klagend, aber doch voll Trauer und mit tiefer Überzeugung – diese Worte: » Jamais je n'ai pas été aimée comme j'aime«. Die Fähigkeit zu lieben, glaube ich, ist meine größte Kraft – ich habe das geglaubt, ehe ich Dich kannte. Und obgleich jede Frau Dich lieben könnte, – jede, die Verstand genug hat, um Dich damit zu erkennen – (o, denke nicht, ich vergrößere mein Amt in ungebührender Weise), so bleibe ich doch dabei, mir das einzureden! denn ich habe die Fähigkeit, wie ich sagte – und außerdem verdanke ich Dir mehr, als andere könnten, so scheint es mir: und lass' mich dessen mich rühmen! Für viele könntest Du besser sein als alle Dinge und doch eins von allen Dingen: mir stehst Du statt aller – vielen ein krönendes Glück – mir bist Du das Glück selbst. Und aus tiefen, dunklen Schächten sehen die Menschen die Sterne nur glorreicher – und de profundis amavi –.

Es ist eine so ärmliche Antwort! Eine beinahe so ärmliche Antwort wie Deine wäre, wenn ich Dich bitten wollte, Du solltest mich lehren, Dir immer zu gefallen; oder vielmehr, Dir nicht zu mißfallen, Dich nicht zu enttäuschen, zu quälen – wie, wenn all das in meinem Schicksal stände?

Und, um zu beginnen! – ich bin enttäuscht heut abend. Ich erwartete einen Brief, der nicht kommt – und ich fühlte mich so sicher, daß ich heut abend einen Brief haben würde ... unvernünftig sicher vielleicht, was doppelt sicher heißt ...

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