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Graf Vittorio Alfieri an eine Unbekannte in Siena

[Florenz, 1800.]

Nina, süßeste Herrin! Mein heutiges Schreiben an Dich soll kurz ausfallen; nicht daß ich Dir nicht viel zu schreiben hätte; sondern Du wirst wohl weder Zeit haben, ein Ausführliches zu lesen, noch erst darauf zu antworten. Du weißt, ich liebe Dich so sehr wie mein Leben, und nur weniger als meinen Namen. Ich habe Dich nur verlassen, weil ich Dich zu sehr liebte, doch werde ich Dich niemals vergessen. Ich lege Dir diesen Knaben ans Herz, der zwar nicht mein Kind ist, allein unter meinen Auspizien geboren worden ist. Ich wünsche für ihn nur das eine: daß er seine Eltern an Herzensgüte erreichen, sie aber darin nicht nachahmen möge, daß er, wie sie, es für süß empfinde, müßigzugehen. Ich und alle meine Tiere sind wohl; ich hoffe das gleiche von Dir und den Deinen. Behalte mich in gutem Angedenken und schreibe mir einige Zeilen mit jenem Inhalte, den man immer besonders aus der Ferne gerne wiederholt hört, obzwar er gerade dann mehr dem Zweifel unterliegt und von geringerer Wirkung ist. Lebe wohl, Liebste!

Der Tragiker Alfieri.

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