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Puschkin an seine Frau

Boldino, den 30. Oktober [1833].

Gestern erhielt ich Deine beiden Briefe, liebes Herz; ich danke Dir. Aber ich muß Dir ein wenig den Text lesen. Du scheinst nur noch ans Kokettieren zu denken, – aber sieh zu: es ist jetzt nicht mehr Mode und gilt als Kennzeichen schlechter Erziehung. Es hat wenig Sinn. Du freust Dich, daß die Männer Dir nachlaufen – viel Grund zur Freude! Nicht nur Du, auch Praskowja Petrowna kann es mit Leichtigkeit so weit bringen, daß alles unverheiratete Lumpengesindel ihr nachrennt. Steht der Koben da, so kommen die Schweine von selbst. Wozu brauchst Du Männer in Deinem Hause zu empfangen, die Dir den Hof machen? Man kann nie wissen, auf was für Leute man stößt. Lies die Ismailowsche Fabel von Foma und Kusma. Foma bewirtete den Kusma mit Kaviar und Hering. Kusma wünschte danach zu trinken, Foma gab ihm aber nichts; da schlug der Gast den Wirt windelweich. Daraus zieht der Dichter die moralische Lehre: Ihr Schönen! gebt euren Verehrern keinen Hering zu essen, wenn ihr nicht die Absicht habt, ihnen auch zu trinken zu geben; denn ihr könntet leicht auf einen Kusma stoßen. Siehst Du wohl? Ich bitte, keine akademischen Dejeuners bei mir zu veranstalten ...

Und nun, mein Engel, küsse ich Dich, als wäre nichts passiert, und danke Dir, daß Du mir Dein ganzes flottes Leben ausführlich und aufrichtig geschildert hast. Bummle nur, Weibchen, aber treibe es nicht zu arg und vergiß mich nicht ganz. Ich halt's kaum noch aus – so sehr möchte ich Dich à la Ninon frisiert sehen; Du mußt entzückend aussehen. Wie hast Du nicht schon früher an diese alte ... gedacht und ihre Frisur nachgeahmt? Schreibe mir, wie Du auf den Bällen brillierst ... Und, mein Engel, bitte, bitte, kokettiere nicht zu arg. Ich bin nicht eifersüchtig, und ich weiß, daß Du's bis zum äußersten nicht treiben wirst; aber Du weißt, wie mir alles zuwider ist, was nach unsern Moskauer »Fräuleins« riecht, was nicht über das il faut hinausragt, was man englisch vulgar nennt ... Wenn ich bei meiner Rückkehr finde, daß Dein lieber, schlichter, aristokratischer Ton sich geändert hat, – so laß ich mich von Dir scheiden, das schwör' ich Dir, und gehe unter die Soldaten vor Kummer. Du fragst, wie's mir geht, und ob ich schöner geworden. Erstens lass' ich mir den Bart wachsen – Backen- und Schnurrbart sind der Schmuck des Mannes; komm' ich auf die Straße 'raus, nennt man mich Onkel. Zweitens – ich wache um 7 Uhr auf, trinke Kaffee und liege bis 3 Uhr. Neulich kam ich ins Schreiben und hab' eine Menge zusammengeschmiert. Um 3 Uhr reit' ich aus, um 5 nehm' ich ein Bad, und dann kommt mein Mittagessen – Kartoffeln und Buchweizen. Bis 9 Uhr lese ich. So vergeht der Tag, und ein Tag ist wie der andere.

St. Petersburg, den 8. Juni [1834].

Lieber Engel! Ich hatte Dir einen vier Seiten langen Brief geschrieben, aber er erschien mir so bitter und düster, daß ich ihn nicht abgeschickt habe, sondern Dir hiermit einen andern schreibe. Ich leide effektiv am Spleen. Es ist öde, fern von Dir zu sein und Dir nicht einmal alles schreiben zu dürfen, was ich auf dem Herzen habe. Du sprichst von Boldino. Es wäre schön, wenn man sich da festsetzen könnte, aber es geht kaum an. Darüber reden wir noch. Sei mir nicht böse, Weibchen, und deute meine Klagen nicht falsch. Niemals ist es mir eingefallen, Dir Vorwürfe wegen meiner Abhängigkeit zu machen. Ich mußte Dich heiraten, denn ohne Dich wäre ich für mein ganzes Leben unglücklich geworden; aber ich hätte nicht in den Staatsdienst treten sollen und vor allem keine pekuniären Verpflichtungen auf mich nehmen dürfen. Die Abhängigkeit des Familienlebens macht den Menschen moralischer. Die Abhängigkeit, in die wir uns aus Ehrgeiz oder Not begeben, erniedrigt uns. Jetzt sehen sie mich wie einen Knecht an, mit dem sie tun können, was sie wollen. Ungnade ist leichter zu ertragen als Verachtung. Ich will, wie Lomonossow, auch vor Gott dem Herrn nicht als Hausnarr dastehn. Du aber bist an alledem nicht schuld; schuld ist nur meine Gutmütigkeit, die bei mir schon an Dummheit grenzt, – allen Lebenserfahrungen zum Trotz ...

Man plagt mich hier erbarmungslos. Wahrscheinlich werde ich Deinem Rat folgen und die Verwaltung des Guts in andere Hände geben. Mögen sie wirtschaften, wie es ihnen gefällt; die Eltern haben genug, und für Saschka und Maschka wollen wir schon ein Stück Brot zu hinterlassen suchen. Nicht wahr? Neuigkeiten gibt es sonst keine. Zu Mittag esse ich bei Dumet. Abends bin ich im Klub. Zum Zeitvertreib versuchte ich neulich im Klub zu spielen, aber ich mußte bald aufhören. Das Spiel regt mich auf – und meine Galle läßt mir keine Ruhe. Ich küsse und segne euch. Lebewohl. Ich erwarte einen Brief von Dir über Jaropolez. Aber sei vorsichtig ... wahrscheinlich werden auch Deine Briefe aufgebrochen. Die Sicherheit des Staates erfordert's!

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