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Robert Browning an Elizabeth B. Barrett

Dienstag, [19. Mai 1846.]

Mit dem heutigen Tage geht das erste Jahr zu Ende, seit Du mir Du gewesen bist – abgesehen von allen Ahnungen und prophetischen Gesichten und selbst aller Gewißheit aus anderen Ursachen heraus als absolutem Sehn und Hören, wenn wir die fünf oder sechs Monate solcher Dinge ausschließen, bleibt ein Jahr dieses vertrauten Verkehrs. Du beschuldigst mich bisweilen überschwenglicher Rede. Ich will hier ruhig sein – ist der Ton zu sehr herabgestimmt, wenn ich sage: ein solches Leben – bestehend aus solchen Jahren – würde ich mit voller Überlegung jedem anderen denkbaren vorziehn, in welchem sich Ruhm und weltliches Gedeihen und die Liebe des ganzen Menschengeschlechts vereinten, aber ausschlössen »das von Dir, worauf ich lausche« – und ich wünschte nur, das alles wäre einen Augenblick vorhanden, damit Du sehen und wissen könntest, daß ich mich von ihm Dir zuwende. Meine Liebste, unaussprechlich Liebste! Wie kann ich Dir danken? Ich weiß. Du hättest nicht so gütig zu mir zu sein brauchen, so vollkommen gütig und lieb – ich wäre doch Dein eigen geblieben, dankbar, völlig Dein eigen – durch nichts als die Erlaubnis, Dich zu lieben, und selbst ohne sie – da ich ja nie davon träumte, mir zunächst »Gegengabe« und »Lohn« auszumachen – aber ich glaube auch mit Freuden, kein Weg als der Weg, den Du eingeschlagen hast, hätte mich über mein eigenes Selbst hinausheben können, wie ich es fühle, wenn ich zurückblicke. Ich fing damit an, daß ich Dich im Vergleich mit aller Welt liebte – jetzt, meine Ba, liebe ich Dich gegenüber Deinem vergangenen Selbst, wie ich es in Erinnerung habe.

Alle Worte sind töricht – aber ich küsse Dir den Fuß und biete Dir Herz und Seele, liebste, liebste Ba.

Ich habe Dich gestern abend ohne das gewohnte Privileg verlassen – Du bist nicht aufgestanden, Ba! Aber – ich weiß nicht, warum – ich wurde plötzlich nervös, es schien spät, und mir fiel der Salon mit seinen Bewohnern ein.

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