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Sophie Mereau an Clemens Brentano

[Weimar, 28. Oktober 1803.]

Clemens, ich werde Dein Weib – und zwar sobald als möglich. Die Natur gebietet es, und so unwahrscheinlich es mir bis jetzt noch immer war, darf ich doch nun nicht mehr daran zweifeln. Meine Gesundheit, Deine Jugend, meine jetzige Kränklichkeit – ist Dir, Unbefangenem, denn nie etwas dabei eingefallen? – Ich weiß nicht, warum es mir kostet, Dir zu sagen, und doch kann ich nicht länger schweigen. – Wärest Du bei mir, so wollt' ich Dir es sagen, mit einem Kuß, doch will die Feder nicht zu schreiben wagen den Götterschluß. Geheimnisvollstes Wunder, so auf Erden die Götter tun, was nie enthüllt, nie kann verborgen werden – so rate nun! denk' Schmerz, Lust, Leben, Tod, in einem Wesen verschlungen ruhn, denk', daß ein ahndungsvoller Sänger Du gewesen – errätst Du's nun?

Wärst Du in Deine vorigen Grausamkeiten zurückgefallen, so war ich fest entschlossen, eine Diebin zu werden und mit Deinem Eigentum an einen Ort zu flüchten, den ich mir schon ersehen hatte, wo Du mich nie, nie wieder gefunden hättest; so aber, da Deine Briefe in schönen Zusammenhang' sich wie eine Kette von goldnen Blumen um mich geschlungen und mich ununterbrochen immer näher zu Dir geführt haben, will ich Dir Dein Eigentum zurückbringen und sorgsam bewahren. Mein Herz ist jetzt so frei, so leicht, so mutig, daß ich kaum noch weiß, ob ich eins habe – und meinen Kopf entführen mir Menschen, Geschäfte und Briefe. Ich habe diese Woche eine Menge Besuche gehabt – wie froh will ich sein, wenn ich nur einen Menschen sehen, nur ein Geschäft haben und gar keine Briefe mehr schreiben werde! – Ich habe Deinetwegen schon wieder Streit gehabt. Es ist sonderbar, daß auch nicht ein Mensch ist, der nicht Deine Talente bewundert und Deinen Charakter fürchtet. – Nur ich, ich fürchte ihn nicht; es macht mich ganz fröhlich, mich einmal so ganz allein, keck der ganzen Welt entgegenzustellen. Ich werde mit Dir glücklich sein, das weiß ich; ob ich es bleiben werde, das weiß ich nicht, aber was geht mich die Zukunft an? – Kann ich nicht sterben, eh' ich unglücklich werde? – Es müßte recht angenehm sein, in Deinen Armen und von Dir beweint, zu sterben – besser aber doch ist's, zu leben und sich mit Dir des goldnen Lichts zu freuen, und ich versichre Dich, im Vertrauen, ich habe den Glauben, den Mut, die Gewißheit, daß Du mich gar nicht unglücklich machen kannst.

Meine Idee nun wäre, daß ich mich mit Dir schon auf der Reise trauen ließe. Du kämest mir bis Eisenach entgegen; ich besorgte hier in Weimar alles, was mir, um getraut zu werden, nötig ist, Du tätest dies dort ebenfalls, und dann gingen wir zu dem Prediger des ersten Dorfs, um uns in seiner Kirche trauen zu lassen. Oder willst Du es lieber auf der Wartburg? – Schreib mir hierüber ganz bestimmt und mit der nächsten Post. Du hast nun zwei Briefe von mir, auf welche ich noch keine Antwort von Dir habe; dieser ist der dritte. – Ich weiß nicht, ob es Dich beleidigt, wenn ich Dich bitte, meine Gründe, nun gleich Dein Weib zu werden, jetzt vor allen andern ein Geheimnis bleiben zu lassen; es kann sein, daß es sich von selbst versteht, aber ich verstehe mich nicht genug auf die Feinheit des männlichen Takts, um dies zu wissen.

So eilet, ihr Tage, mit klingenden Schwingen,
Mir schnell den Erwünschten, den Liebsten zu bringen;
Verschwunden sind Stunden voll finstrer Schmerzen,
Nur festliche Kerzen erhellen die Herzen.

O! laßt mich nicht sterben, ich kann nicht vergehen!
Er ist es, ich habe den Liebsten gesehen!
Er ist mir erschienen im goldnen Gewande,
Ein Engel, zu lösen die irdischen Bande.

Ich habe Dein Gold erhalten, wovon ich Dir den dritten Teil gleich wieder bar mitbringen werde, und Deine Briefe, die mir noch weit goldener sind als Dein Gold. Es ist sonderbar, daß meine Sehnsucht nach Deinen Briefen immer höher steigt. Die Stunde, wo ich sie erwarte, läßt mir keine Ruhe; ich bin an das Fenster gebannt, und schon in der Esplanade entdeck' ich das Kleid des ersehnten Boten, das mir schöner als alle Farben der Iris schimmert. Nun hör' ich seinen wohlbekannten Tritt, der mich nie täuscht, ich trete heraus und bin ordentlich verliebt in den Mann, der überdies gar nicht häßlich ist, und der, von meiner Freundlichkeit verführt, nie unterläßt, mich halb verliebt, halb schalkhaft anzublicken. – Weinen sollt' ich, wenn ich Weimar verlasse? – Wie irrst Du dich!

Ich scheid' aus diesen Gründen mit freier Brust.
Die Liebe such' ich, weiß sie mir zu finden, o süße Lust!
Was ich gesehn in früher Jugend Träumen, das holde Bild,
Mein harrte es in ferner Zukunft Räumen – nun ist's erfüllt!

An Jena könnte ich wohl eher mit Wehmut denken, und hätte nicht die Liebe mich beherrscht, so würde ich diesem armen, verlaßnen Städtchen durch meine Gegenwart – lassen Sie Ihre Spöttereien, mein Freund! – sicher neues Leben, neuen Trost gebracht haben.

– Es ist sonderbar, wie stark der feste Wille, die Zuversicht eines Menschen auf andre wirkt; seitdem diese Freudigkeit, diese Gewißheit in mir ist, seh' ich, wie alle, deren Meinung erst mir so ganz entgegengesetzt war, sich unwillkürlich zu der meinigen gezogen fühlen. Ach! wenn Du wüßtest, wie überschwenglich selig mein Herz ist, wenn Du sagst, daß Du Dich glücklich fühlst! wie inbrünstig ich oft für Dein Glück gebetet, gerungen, wie ich es gern mit Glück und Leben, nur mit keiner Lüge, hätte erkaufen mögen! Mein Verhältnis zu Dir ist das ganz reine und schöne, das ich je auf Erden gehabt. – Ich kann Dir nicht mehr schreiben, ich bin so ungeduldig, und es genügt mir nicht. – Schreibe mir ganz bestimmt wegen der Reise und allem andern. Wohin und an wen ich die Sachen, die in Büchern, Betten für die Magd und einigen andern Dingen bestehen, adressieren soll. Aber alles bestimmt und unverzüglich.

Gute Nacht, meine Zukunft, mein Gebieter – und doch mein Eigentum!

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