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Fürst Pückler-Muskau an seine Frau

Brighton, den 19. Januar 1828.

Wenn ich an den lieben Gott denke, denke ich auch in der Regel an Dich, weil dann eben Liebe meine Seele füllt. Ob und wie der eine existiert, weiß ich Ärmster freilich nicht, aber daß meine Schnucke lebt, das weiß ich, und daß, was ich ihr Liebes tue, auch Gott empfängt, weiß ich auch, und nichts ist schöner in Christi Lehre als dieses Wort. Er war gewiß ein göttlicher Mensch, und hat er selbst nicht existiert, so war es der, dessen poetische Fiktion er war.

Abends ging ich bei der ankommenden Flut des Meeres unter seinem Schäumen und Donnern zu Haus; die Sterne blickten klar funkelnd herab, ewige Ruhe oben und wildes Brausen und Wallen unten, Himmel und Erde in ihrer waren Charakteristik! Wie herrlich, wie wohltuend, wie furchtbar, wie schauerlich ist die Welt! Die Welt – die nie anfing, die nie endet – deren Raum nirgends begrenzt ist – in deren endloser Verfolgung die Phantasie selbst, schaudernd sich verhüllend, zu Boden sinkt.

O, meine Schnucke, Du verstehst mich – Liebe nur fühlt einen Ausweg aus diesem Labyrinth, wo jede andere Kraft des Geistes sich vernichtet sieht.

Den 27. April 1828.

Ich war heute bei der Herzogin von St. Albans zu Tisch gebeten, to meet the Duke of Cumberland and Sussex, konnte aber nicht hingehen, weil ich schon bei Bülow eingeladen war, to meet Mademoiselle Sontag, die ich zufällig hier noch in Gesellschaft angetroffen. Du kannst Dir die Ekstase der stets lobenden Frau von Lämmers denken. Sie fand mich nicht nur jünger und schöner geworden, sondern versicherte, nichts so Schönes wie Muskau in England gesehen zu haben. Was mich aber doch gut für sie stimmte, waren ihre Lobeserhebungen Deiner Gnade für sie, die sie im Grunde dankbarer erkannte, als wir es verdienen. – À tout prendre, tut mir ihre Erscheinung als Erinnerung an Liebes, Vergangenes, doch wohl! – Die Sontag war allerliebst und machte einige frais für mich – es ist ein reizendes Geschöpf und gewiß äußerst verführerisch für Leute, die entweder noch neu in der Welt sind oder nichts zu sorgen noch zu tun haben, als ihren Wünschen nachzugehen. Die kleine Kokette hatte mir gleich die schwache Seite abgemerkt und sprach mit den süßen Blicken von nichts wie von dem Glücke der Häuslichkeit und des Landlebens, und wie unglücklich sie sich fühle, ein leeres Leben der Eitelkeit und, bei allem scheinbaren Glanz, der Unbefriedigtheit und oft Demütigung zu führen.

Abends fand ich sie bei St. Albans wieder, wo sie aus dem »Freischützen« deutsch sang (nach meinem Geschmacke weniger ausdrucksvoll als die Seidler). Ich führte sie an ihren Wagen, und sie lud mich ein, morgen mit ihr ins Schauspiel zu gehen, wo ihr der Herzog von Devonshire seine Loge gegeben hat; denn sie ist hier als etwas Neues und Berühmtes jetzt in höchster Fashion und hat alle Grands zu ihren Füßen, was ihr jedoch nicht im geringsten den Kopf zu verderben scheint.

Weißt Du wohl, Schnucke, daß ich verliebt bin – rate einmal in wen?

In Dein Porträt, das ich jedesmal früh und abends küsse, wozu es immer sehr kontent aussieht. Nun, der Himmel wird uns beide nicht verlassen, denke ich, und wir werden noch einmal Frohsinn schmecken, der uns lange, lange schon so fremd geworden ist!

Den 27. Mai 1828.

Heute früh wohnte ich einer Hochzeit und Frühstück bei. Dieselbe Person, von der ich Dir einmal geschrieben, daß ich sie zu spät kennen gelernt hätte. Nach dem Frühstück fuhr das vergnügte Paar in einem schönen Wagen, mit vier raschen Pferden bespannt, davon, um die Honigmonate in Italien zuzubringen – eine sehr hübsche Mode, die Neuvermählten eine Zeitlang ganz allein und sich selbst zu lassen.

Doch ich muß noch des gestrigen Diners und Balls erwähnen. Bei Rothschild wurde auf der goldenen vaisselle gegessen, deren Wert hinlänglich wäre, uns zu reichen Leuten zu machen. Beim König war alles gleichfalls magnifik, eine gewählte Gesellschaft, nobles Lokal und vortreffliche Bedienung. Seine Majestät sprachen mit mir, ich war ganz gut angezogen, man behandelte mich artig, und ich wäre ganz zufrieden gewesen, wenn ich's sein könnte!

Übrigens hat sich doch noch ein kleiner Hoffnungsstern angesponnen; ob es wieder nur ein Irrlicht wird? aber die Umstände scheinen hier besonders günstig.

Abends.

Ich war auf einem großen Diner bei Lady P., wo auch der Herzog von Cumberland sein sollte, aber nicht hinkam. Es ist eine gute, alte, vornehme Frau, die ungeheuer frißt, und deren Conquete ich gemacht habe, indem ich bei einigen Diners neben ihr saß und ihr von jeder Schüssel zwei Portionen verschaffte. Ihr eigenes Diner war vortrefflich, und keine alte Frau kann sich besser auf Küche und Keller verstehen. Vom Diner fuhr ich mit Admiral Beresford in die Oper »Semiramis«, eine Hauptrolle der Mad. Pasta, und dann auf einen Ball, wo ich mich in der furchtbaren Hitze so unwohl fühlte, daß ich mit einer derben Migräne zu Hause gekommen bin. Ich fand hier Deinen Brief, der freilich noch immer recht ungewisse und nicht beruhigende Nachrichten enthält. Doch still davon, Du hast mich lieb und bist wohl, das ist die Hauptsache. Ich habe der Schlange des Schmerzes, die mein Herz zerfleischte, den Kopf abgebissen, und meine Wunden heilen langsam – die Narben werden aber immer bleiben und bei veränderter Seelenwitterung schmerzen!

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