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Klaus Groth an Doris Finke

Düsternbrok, den 27. August 1858.

Wie ich es aushalten soll ohne Sie, unendlich Geliebte, das versteh' ich nicht; Schlaf und Wachen sind bei mir fast dasselbe geworden, Nacht und Tag eines. Viel tausendmal habe ich Ihren Namen genannt im Geräusch der Menschen und in der Stille der Dunkelheit, mitten im Schlummer sind meine Tränen geflossen und haben mich geweckt. Um des Himmels willen gib mir ein irdisches Zeichen, Geliebteste, ich weiß es sonst nicht auszuhalten, irgend etwas, was Ihrer Person nahe gewesen, was Sie berührt haben, sei es auch nur ein Stückchen Band von Ihrem Hute, das Ihre Wange umfaßt hat. Solange ich Sie bei mir hatte, dachte ich nur daran, Ihre Stirn und Augen zu betrachten und selig zu sein über jede Bewegung, nun Sie fort sind, ergreift mich eine so furchtbare Sehnsucht, daß ich sie nicht zu tragen weiß ...

Was auch kommen möge, schon was mir der Himmel gewährt hat, ist mehr, als ich Unwürdiger verdiene, ist genug, um mein ganzes Leben wieder mit Begeisterung zu füllen, mich hochzuhalten über alles Gewöhnliche: daß ich Ihr Auge habe sehen dürfen, daß Sie mich mit Teilnahme angeblickt, meine überströmende Seele beruhigt mit mildem Wort, daß ich Ihre reine Stirn mit meinen Lippen habe berühren dürfen. Bleiben Sie mir, o bleiben Sie mir! Was Ungewöhnliches in mir sein mag, Sie können es zum hohen Wuchse treiben, wie das Eichbäumchen, das Sie mitgenommen! Was Sie auch finden könnten, eine tiefere, reinere Liebe finden Sie auf Erden nicht. Sagen, o sagen Sie mir ein tröstliches Wort mehr, beruhigender Engel! Geben Sie mir Mut, die Kräfte, die in mir schlummern, wieder zu wecken zum Schaffen, das schon bei mir keinen Wert, weil kein Ziel, mehr hatte. Dann könnte ein Ruhm mir süß werden, wenn ich Ihren teuren Namen daran knüpfen könnte, wie der Lauras und Beatrices sollte er durch die Jahrhunderte leben.

Praktische Dinge bespreche ich heute nicht, selbst meine Hände zittern. Aber glauben Sie, auch dort kann ich, wenn ich will, wenn ich wollen kann. Wenn's sein muß, bin ich innerhalb eines Jahres Professor. Ich habe einflußreiche Freunde, der Herzog von Gotha zählt dazu, Humboldt ist mein besonderer Freund, dem mein »Quikborn«, wie er sagt, seine alten Tage erquickt. – Ein Zeichen von Ihnen, Geliebte! ich breche sonst den Fensterknopf ab, den Sie öfter angefaßt haben.

Immer gehen mir die Strophen durch den Kopf, die von mir sind:

Wo Dein Fuß gegangen,
Wo gehaucht Dein Mund,
Wo Dein Blick gehangen:
Da ist heil'ger Grund.

Geh' ich jetzt alleine,
Wo Du je gewallt,
Seh' ich immer Deine
Weihende Gestalt.

Ewig Ihr Klaus Groth.

[Kiel,] 27. [Mai] morgens [1859].

Laß Dich die Grübeleien nicht verdrießen, mein süßes Kind, es ist auch nur eine andere Form meiner Neigung für Dich, ein anderes Kleid des Ewig-Einen, das uns verbindet. Es wird alles Glück und Freude, wenn Du erscheinst, habe Geduld mit meiner leidenschaftlichen Natur, die sich nicht ganz bezwingen läßt durch vernünftige Überlegung.

*


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