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Galantes Intermezzo

Lord Stuart de Mackenzie an Barberina Campanini

[Hamburg, Ende Juni 1744.]

Mein ewig geliebtes Weib, meine liebe, süße Molly! Mit welchen Worten könnte ich Dir meine Leiden schildern, als ich auf so grausame Weise von Dir gehen mußte; ich weiß, Du hast viel gelitten, meine Seele, als Du aus dem Theater kamst und hörtest, daß ich fort war. Du warst aber nicht allein, wie ich, der ich niemand habe, der mich trösten konnte.

Ich habe Dir einen kleinen Brief geschrieben, in dem ich Dir die Antwort Sr. Maj. mitteilte, aber ich wagte nicht, alles zu sagen, da ich nicht sicher war, daß Du ihn auch erhieltest. Aber jetzt kann ich ganz frei sprechen, denn mein Diener, der nach Berlin zurückreist, wird ihn Dir persönlich übergeben.

Soll ich denn jetzt für immer von Dir getrennt sein, was mir das Liebste auf Erden ist? Oder ist es ein Traum? Ach, es ist nur zu wahr! Was muß Dein unglücklicher Mann leiden! Mein Herz bricht, ich kann nicht weiter; was würde ich geben, könnte ich Dich auch nur eine Viertelstunde sehen! O Babby, ich fürchte, wir sind für immer getrennt; mein ganzer Trost ist Dein liebes Bild, das ich immerzu küsse, und der Gedanke an Dich, die mir mehr ist als meine Seligkeit.

Wir haben nicht gedacht, daß wir uns nicht wiedersehen würden, als ich nach dem Diner fortging. O Gott, wo bin ich? Mußte das Schicksal uns das noch antun, nach allem, was wir schon vorher erlitten? O, my dear Babby, denke an alles, was ich Dir sagte, und an die Ratschläge, die ich Dir gab!

Hier in Hamburg habe ich meine Reise zu Lande aufgegeben, ich konnte nicht mehr. Zu Schiff werde ich von hier nach England fahren. Eine lange Seefahrt, mehr als 500 unserer Meilen, und Gott weiß, wann wir ankommen werden, denn der Wind ist gerade entgegengesetzt. In einem Boot muß ich zu dem Schiffe fahren, das 100 Meilen von hier wartet. Denke an mich, wenn Du den Wind brausen hörst, vielleicht bringt er Dir meine letzten Grüße. Für mich, mein Idol, wäre der Tod nur willkommen. Es gibt viel französische Kaperschiffe, die oft selbst bis zur Mündung der Elbe kommen, aber da unten hoffe ich, ein Kriegsschiff zu finden, dessen Kapitän mein Freund ist.

Ich habe Dir versprochen, mein Lieb, bevor ich abreise, einen Brief mit Ratschlägen zu schicken. Da ich aber krank vor Kummer bin, wird er nicht so ausfallen, wie ich möchte. Ich brauche Dir wohl nicht zu sagen, daß Du Dich in acht nehmen mußt vor allen Schmeicheleien und Versprechungen, die man Dir machen wird. Sie haben schon gezeigt, wie falsch sie sind, als sie mich von Dir jagten. Sie werden versuchen. Dich für immer festzuhalten, sei also stark. Und lebe so, daß man Dir nichts Schlechtes nachsagen kann. Nimm Deine Mahlzeiten nie außer dem Hause, bleibe nie einen Augenblick allein mit einem Mann. Empfange denselben Mann nicht zu oft, sonst wird man sagen, er sei Dein Liebhaber. Wenn Du merkst, daß Du an irgend jemand Gefallen findest, sieh ihn nie wieder. Du würdest sonst undankbar werden gegen den, der Dir seine unendliche Liebe bewiesen hat.

Berühre niemand und laß Dich von niemand berühren; Du weißt, was ich Dir darüber schon sagte. Zeige bei jeder Gelegenheit, welchen Schmerz sie Dir antaten, als sie mich aus Deinen lieben Armen rissen. Traue niemandem außer meinem Freunde, den Du wahrscheinlich kennen lernen wirst. Wenn Du krank bist, laß keinen an Dein Bett. Früher tatest Du es, aber im Namen unserer Liebe, tue es nie wieder. Ich gebe Dir keinen Rat, dem ich nicht selber folgen würde, natürlich mit dem Unterschiede für mich als Mann. Auch wenn Du mich nie wiedersehen solltest – Gott möge es verhüten –, befolge stets diese Ratschläge, sie sind zu Deinem Besten.

Aber ich fürchte ganz und gar nicht, daß wir uns je vergessen könnten. Wir haben viel zu innige Bande; Entfernung und Unglück können sie nicht zerreißen. Sie sind stärker als eine wirkliche Trauung, denn sie sind aus Liebe, Freundschaft und Ehre gewebt. Wir sind zu weit gegangen, um jemals ganz getrennt zu werden. Und so sehe ich in Dir nur mein liebstes, süßes Weib, das ich nur auf kurze Zeit verlassen mußte und bald wiedersehen werde. Als sie mich von Dir rissen, glaubten sie, wir würden bald nicht mehr aneinander denken; aber bleiben wir fest in unserer Liebe! Das ist das einzige Mittel, alle Schwierigkeiten zu besiegen, die sich unserm Glücke entgegenstellen.

Ich vergaß, Dir noch zu sagen, die Liebesbriefe, die man Dir schreibt, sofort wieder zu schließen und sie ohne Antwort zurückzuschicken. Glaube mir, hättest Du stets so gehandelt, würde man niemand auf Dein Konto gesetzt haben, wie man es – obgleich mit Unrecht – tat, wie Du wissen wirst.

Du wirst das alles etwas konfus finden, was ich Dir da sage, aber bedenke, in welchem Zustande ich bin. Ich glaube, daß Du von meiner Treue zu Dir überzeugt bist. Du mußt es sein, Liebstes. Und auf meine Beständigkeit sollst Du Dich fest verlassen. Sollte ich je fehlen, dann hasse mich; das würde der größte Fluch sein, der mich treffen könnte!

O, wann werde ich meine liebe kleine Pitti wiedersehen? Daß sie auf ewig mein sei?! O, my sweet Babby, wie doppelt unglücklich fühle ich mich, denke ich an die seligen Stunden unserer Liebe! O, vergiß mich nie, my lovely woman, denn Du gehörst nur mir. Denke an manche Stunde, an das, was ich Dir so oft sagte, brich nie die Treue! Und jeden Tag von 11 Uhr bis Mittag denke recht sehr an mich; unsere Seelen werden sich dann begegnen, denn ich denke nur an Dich, sehe nur Dich überall. Und wenn wir uns einst wiedersehen, wollen wir uns so innig lieben, daß wir alles Ungemach bald vergessen. O, folge meinen Ratschlägen und denke jeden Abend, ob Du in etwas gefehlt hast. Laß Dich nicht so oft mit Männern sehen, denn sonst sagen sie, Du denkst nicht mehr an mich. Sie glauben, Du würdest nach meiner Abreise alles tun, was sie von Dir verlangen, und daß ich Dir nur stets im Wege war.

Ach, welch ein Gedanke, so weit von meinem geliebten Weib zu sein. Das weite Meer wird bald zwischen uns liegen. O Gott, muß ich so leiden? Ja, ich muß, um nicht das zu verlassen, was mir das Liebste ist! Ich werde alles ertragen, was auch kommen mag, aber sei auch Du so fest wie ich! O, meine Seele, denke an mich und alles, was ich Dir sagte. Verbrenne den Brief, laß ihn niemand, auch den Überbringer nicht sehen. Aber vorher schreibe Dir alle Ratschläge ab, die ich Dir gab. Und nun adieu, my dearest, dearest wife! Aber welch Adieu, o Götter! Ich bin Dein, sei Du die Meine für immer. Adieu, liebstes, geliebtes Weib, adieu, Seele meiner Seele, Leben meines Lebens, my dearest Babby, fare well! denke in dieser Stunde an etwas, hörst Du?

Der Unglückliche.

*


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