Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Karoline Richter an ihren Mann Jean Paul

Baireuth, den 31. Mai 18[18].

Deinen Brief aus Bamberg haben wir am Donnerstag erhalten, und ich danke Dir herzlich, daß Du uns über die Art Deiner Reise beruhigt hast, indem mir sehr, sehr bange um Dich war. Jetzt fehlt es mir an neuer Beruhigung über den ferneren Fortgang Deiner Reise, auf der meine Gedanken Dir Schritt vor Schritt nachfolgten ...

Entfernung ist das Grab der Liebe – Nähe und Gegenwart ihre Nahrung. Eine Sehnsucht nach Entfernten kommt meistens aus der Phantasie, nicht aus dem Herzen. Sogar ich, ich fühle es, daß Deine wirkliche Trennung mich lange nicht so zerschmettert hat als die gefürchtete. Du könntest mir sogar gleichgültig werden, wenn ich es wollte – ich kann leben – sogar froh sein. Gestern zum ersten Male durchzuckte mich einmal wieder die tötende, vernichtende Empfindung, die zu oft schon seit ¾ Jahren mir Vorahnungen des Kampfes waren, mit der Tod um Leben ringt [ sic]. Allein es war wohl nur Folge eines Traums, der mich in Heidelbergs Straßen versetzte und mir die Gestalt der Sophie Paulus zeigte ... Es sind heute 6 Tage, daß Du fort bist, mir scheint es eine Ewigkeit. Wenn ich mir denke, daß ein neuer Monat morgen beginnt und ich Dich diesen schönsten Teil des Sommers gar nicht sehen werde, ist es mir unerträglich. Wird es nicht Minuten geben, wo Du denken wirst, möchte doch meine Frau und Kinder das Schöne, was ich sehe und genieße, auch mit mir teilen. Selbst im Reisewagen wirst Du unwillkürlich so empfunden haben, oder wir sind Dir nichts. Doch ein Brief von Dir, morgen oder in wenig Tagen, kann leicht mein Herz aufs neue beruhigen und beschämen. Eile damit, finstre Zweifel könnten sonst wieder dies arme kranke Herz bewältigen und die bei Deinem Abschiede so beruhigende Gewißheit Deiner Liebe vernichten. Diese Zuversicht ist es allein, die mich kräftigt und mir eine Heiterkeit gab, die ich selbst nicht begreifen konnte. Ich nehme Abschied von Dir, kniend vor Deinem geistigen Bilde, und fühle in Gedanken die segensvolle Wärme Deiner von mir allein am glühendsten geliebten Brust. Gott segne Dich, wenn auch nicht durch mich, mit der Erfüllung aller Freuden, die Du wünschest. Lebe wohl, lebe wohl!

Karoline.

*


 << zurück weiter >>