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Helene v. Dönniges an Ferdinand Lassalle

Genf, Mittwoch, den 3. August 1864.

Mein liebes Herz, mein schöner, herrlicher Aar, – noch keine Stunde im elterlichen Haus, kann ich Dir schon Neues – aber nur Trübes erzählen. Ich kam hier an und fand meine kleine Schwester Margarete als verlobte Braut des Grafen Kayserlingk – das Glück und die hohe Freude darüber bei den Meinen ist nicht zu beschreiben. Ach, Ferdinand, es tut mir wehe, zu denken, wie verschieden mein Glück auf sie einwirken wird! – Doch ist's mir ganz gleich: in Freud' und in Leid Dein treues, nur Dir ergebenes Weib.

Diesen Freudenmoment benutzte ich und zeigte Mama Deine Visite an, aber – nun, die arme, arme kleine Frau stellt sich aber meinen schönen Ferdinand auch als Schinderhannes vor – als ich auf so ganz bestimmten Widerstand stieß, und zwar aus dummen Gründen, die zu kleinlich sind, um Dich auch nur zu berühren, fühlte ich mich gezwungen, zu den großen Mitteln zu greifen; ich sagte ihr also: »Höre, Mama, ich habe mit Dir sehr ernst zu sprechen, – ich sage heute zum ersten Male: ich will, und so wahr ich hier vor Dir stehe, sage ich Dir, ich werde meinen Willen durchsetzen.« Hier erzählte ich ihr in Kürze unser Wiedersehen und fuhr fort: »Es tut mir unendlich leid, Euch so betrüben zu müssen – denn ich sehe, daß Du außer Dir bist, – aber ich kann nicht anders; seid Ihr vernünftig und willigt ein – nun, so werdet Ihr ihn kennen und lieben lernen, und alles wird ruhig und glatt abgehen – wo nicht, nun, tut es mir auch sehr leid, und Gott weiß, was ich darunter leide, so muß ich mich mit dem Gesetz verteidigen und so zu meinem Recht und meinem Glück gelangen.«

Ich schloß meine Rede, während welcher sie mich mit Kindesgüte angehört hatte, und mich nicht einmal unterbrochen hatte, obwohl die Tränen ihr die Augen näßten; ich schloß, sage ich, mit noch einigen Küssen und Liebesversicherungen und sagte ihr noch einmal: Nur in ihm ist mein Glück, und das ist mein Schicksal.

Sie weinte leise und verließ mein Zimmer, und ich, das Kind, wurde Deine wirkliche Brunhilde; – ich weinte nicht, ich zitterte auch nicht, ich sah Dein Bild an und bat Dich leise: Komm, mein hoher, mein stolzer, mein kaiserlicher Aar, gib mir mit Deinem herrlichen Adlerblick Kraft und Stärke! So bat ich, und mein Glaube an Dich hat mir geholfen – ich danke Dir, mein starker Siegfried!

Nach einer kleinen Weile kam die arme Mutter und sagte: sie müsse dem Papa die ganze Sache mitteilen, sonst gäbe es einen furchtbaren Skandal. Ich sagte darauf, das sei das einzige, was ich verlange für mein Vertrauen, und Du wünschtest nicht, daß Papa Dich kennen lerne mit Gedanken für oder wider, – kurz, Du möchtest unbefangen ins Haus treten und ebenso beurteilt werden! – – aber hier blieb sie unerbittlich und sagte: »Papa nimmt ihn nie und nimmer an, ich muß zu ihm gehen und ihm sagen, wie die Sachen stehen.« Nun fragte ich sie, was hat er denn gegen Lassalle, was kann er gegen ihn sagen – car enfin, seine politische Stellung ist kein genügender Grund, ihn nicht anzunehmen, wenn er ihn besucht. Mama: »Nicht seine politische, aber seine soziale Stellung – die Kassettengeschichte (seine Konnektion mit der Gräfin von Hatzfeldt) und so viel anderes.« Ich sagte darauf nur, daß ich nichts von ihnen verlange, als Dich anzunehmen und kennen zu lernen; worauf sie zu mir sagte: »Du kannst von Papa nicht verlangen, namentlich in derselben Zeit, wo die eine Tochter mit dem Grafen Kayserlingk verlobt ist, einen Mann in die Familie aufzunehmen, von dem alle Welt so spricht.« Ich: »Ihr nehmt ihn nicht in eure Familie auf, sondern ihr gebt nur eure Einwilligung, daß ich aus dieser Familie heraustrete; wenn ihr es verlangt, nun so will ich, so weh es mir auch tut, und Gott ist mein Zeuge, daß mir fast das Herz dabei bricht, so will ich euch das Versprechen geben, nie wieder eure Schwelle zu überschreiten ...«

Jetzt ist es 6½ Uhr, und Du mein Herr und Gott bist nun schon hier? O! Dieser Gedanke gibt mir wieder Stärke und Kraft – denn ich muß die Nähe und Allgewalt meines Herrn und Gebieters fühlen, um nicht zu weichen, um nicht auch andern gegenüber zu sein, wie Dir – das Kind. Aber ich fühle Dich und Deine Liebe – und so fürchte ich nichts mehr und bin jetzt und für immer Dein Weib, Dein Kind, Deine Dich anbetende Sache! O, wenn doch die Gräfin hier wäre! –

Sage mir nur auf einem kleinen Zettel, daß Du mich liebst! Denn ich, Ferdinand, ich liebe Dich so sehr!

Es ist geschehen – sie haben gesprochen – – mein Vater hat erklärt: ich wäre seine Tochter nicht mehr! und was nun geschieht – Gott weiß; – er will, ich soll sein Haus nicht verlassen, ehe ich Dein Weib bin!

Ich kann ...

*


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