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Ludwig Börne an Jeanette Wohl

Berlin, den 1. April (Dienstag) 1828.

Liebes Bärbelchen, Du machst sehr dumme Streiche. Es ist auch sehr natürlich, denn ich habe Deinen Kopf mitgenommen, zum Unterpfande für mein Herz, das ich bei Dir zurückgelassen. Vorgestern habe ich keinen Brief gehabt und gestern auch nicht. Der Himmel wolle verhüten, daß er auch heute ausbleibe. Ich erinnerte mich erst spät, daß Du es mir vorhergesagt. Du hast mir etwas geschrieben von Briefekreuzen, was Du vermeiden wolltest. Aber, lieber Dummkopf, wie ist das möglich? Wollten wir immer jeder die Antwort auf den letzten Brief abwarten, könnten wir uns nur alle acht Tage schreiben. Weil Du nur durch Beispiele zu belehren bist, habe ich vorgestern und gestern auch nicht geschrieben. Das ist eine Zärtlichkeit! Das ist ein Wetteifer in der Liebe! Ich habe ohnedies mit Dir zu zanken. Ich komme darauf zurück, daß ich es gar nicht verschmerzen kann, daß ich durch Deine heillose Nachlässigkeit um 20 fl. komme, die ich einen Monat unnötige Miete für meine Wohnung bezahlen muß. Sehe nur meine Briefe nach, und da wirst Du finden (wahrscheinlich in Nr. 10), daß ich Dir geschrieben, Du sollest mit Ende Februar das Logis aufkündigen. Nun, Du hast eine reiche Mutter, Du kannst es bezahlen. – Meiner Schwester habe ich schon längst geantwortet. Über unsere Verhältnisse sagte ich kein Wort, sondern sprach bloß von ihrem Sohne und war überhaupt sehr kurz. – Sehe doch nach, liebe Mama, ob ich meine großen Schnürschuhe nicht in Frankfurt zurückgelassen? Sind sie da, dann stehen sie im Kleiderschranke auf der Hausflur. Ich meine aber, ich hätte sie mitgenommen. Fort sind sie ...

Himmlisches Bärbelchen, ich habe mich halb totgelacht über Deine Nr. 17, die ich soeben erhielt. Unvergleichliche Frau Schmelzle, ich bin zehnfach der Ihrige. Der Börne, der halb der Julie, halb der Marianne gehört, das ist der rechte Börne nicht, das ist der falsche, heuchlerische, schmeichlerische, – der echte, gehört ganz seinem Bärbelchen. Nicht einer Deiner Briefe ist mir gestohlen worden; so poetisch sind die Berliner Diebe nicht. Sei doch nur ohne Sorge wegen meiner Reise, ich werde alles aufs bequemste, sicherste und gesundeste einrichten. Ich kenne hier einen General; wenn ich den schön bitte, gibt er mir sein Regiment mit, bis über den Nürnberger Moorgrund hinaus. Aber wohin ich reisen soll! Ich schwanke wie ein Rohr hin und her. Wenn Du schon Ende Aprils mit Guste zusammenkömmst, habe ich zum Reisen keine Geduld. Hamburg und seine Gegend, und besonders Dresden ordentlich zu sehen, das kostet allein 3 Wochen Zeit. Ich lasse vielleicht das alles sein und komme gleich zu Dir, jedoch auf jedem Falle einen andern Weg als den auf der Herreise einschlagend. Also schreibe mir sobald als möglich, wann Du weggehst und wohin. Ehe ich das weiß, kann ich keinen Plan machen ...

Dein treuer Charles, Dein »lieber Börne«.

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